Friedrich Nietzsche: Wanderer und freier Geist (German Edition) by Sabine Appel
Autor:Sabine Appel [Appel, Sabine]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: C. H. Beck
veröffentlicht: 2011-05-18T22:00:00+00:00
Lou Salomé, Paul Rée und Friedrich Nietzsche, 1882.
Der entzückende Traum von der Begleiterin des einsamen Wanderers war leider ausgeträumt.
Sils Maria/Nizza/Turin, 1884–1888
«Jenseits von Gut und Böse»
Oewiges Überall, o ewiges Nirgendwo, o ewiges – Umsonst!», klagt der Schatten des Wanderers Zarathustra, als er gesteht, dass das Suchen nach einem Heim seine Heimsuchung sei, woraufhin Zarathustra ihm antwortet: «Deine Gefahr ist keine kleine, du freier Geist und Wanderer! Du hast einen schlimmen Tag gehabt: sieh zu, daß dir nicht noch ein schlimmer Abend kommt! Solchen Unsteten, wie dich, dünkt zuletzt auch ein Gefängnis selig. Sahst du je, wie eingefangne Verbrecher schlafen? Sie schlafen ruhig, sie genießen ihre neue Sicherheit. Hüte dich, daß dich nicht am Ende noch ein enger Glaube einfängt, ein harter, strenger Wahn! Dich nämlich verführt und versucht nunmehr jegliches, das eng und fest ist.» Er wolle nun also allein weiterlaufen, so Zarathustra, ohne den Schatten, «daß es wieder hell um mich werde.» Und abends, da werde bei ihm getanzt.
Ihre geistige Abkehr von Nietzsche begründete Lou damit, dass er ein «Gottsucher» sei – und sie habe das hinter sich. Dass diese illustre Figur der Jahrhundertwende, nach der Frank Wedekind möglicherweise die vamphaft-kindliche Lulu seiner Erzählung «Erdgeist» erschuf, da zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie der eine oder andere Vertreter der katholischen oder protestantischen Orthodoxie (und nicht nur die), ist bemerkenswert. Bei der Gottlosigkeit bleibt es nicht, wird es nicht bleiben, auch wenn man Gott oder die Götter getötet hat, was ja nie endgültig ist, da der Tod, so ein Bonmot im «Zarathustra», bei Göttern immer nur ein Vorurteil ist. «In deiner Nähe, ob du schon der Gottloseste sein willst, wittere ich einen heimlichen Weih- und Wohlgeruch von langen Segnungen: mir wird wohl und wehe dabei», äußert einer seiner «höheren Menschen», nämlich «der letzte Papst», zu Zarathustra, welcher in der Tat einige Sympathie für diesen frommen Mann und redlichen Wahrheitssuchenden aufbringt und auch gestehen muss: «Ich liebe alle frommen Menschen.» Bei der Gottlosigkeit bleibt es nicht, wird es nicht bleiben, und auch in der Überwindung des Gottes lebt noch ein Gott.
In der «Fröhlichen Wissenschaft», wo Nietzsche auch erstmals seinen geheimnisvollen Gedanken von der ewigen Wiederkehr diskret, beinahe versteckt einführte, gibt es einen ergreifenden Aphorismus, der das volle Maß der Entsagung zum Ausdruck bringt beim Verlust des Gottesglaubens, der Religion. «‹Du wirst niemals mehr beten, niemals mehr anbeten, niemals mehr im endlosen Vertrauen ausruhen – du versagst es dir, vor einer letzten Weisheit, letzten Güte, letzten Macht stehenzubleiben und deine Gedanken abzuschirren – du hast keinen fortwährenden Wächter und Freund für deine sieben Einsamkeiten – du lebst ohne den Ausblick auf ein Gebirge, das Schnee auf dem Haupte und Gluten in seinem Herzen trägt, – es gibt für dich keinen Vergelter, keinen Verbesserer letzter Hand mehr – es gibt keine Vernunft in dem mehr, was geschieht, keine Liebe in dem, was dir geschehen wird, – deinem Herzen steht keine Ruhestatt mehr offen, wo es nur zu finden und nicht mehr zu suchen hat, – du wehrst dich gegen irgend einen letzten Frieden, du willst
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