Freundschaftsdienst by Roth Franz Xaver
Autor:Roth, Franz Xaver [Roth, Franz Xaver]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Knaus
veröffentlicht: 2015-04-02T16:00:00+00:00
Freitag, 13. September 2013
Senta hatte sie bekannt gemacht. Der Mann, der sich Günter nannte, hatte lächelnd genickt und ihre Hand ganz leicht mit den Lippen berührt. Er trug eine schwarze Augenmaske, hinter der Teile seiner Stirn und Nase verborgen waren. Er roch gut. Nicht zu aufdringlich, nicht zu herb. Einige Männer auf Sentas Partys übertrieben bei der Wahl ihrer Parfüms. Sie benutzten zu aufdringliche Düfte, wie sie auch sonst viel zu oft für ihre Erscheinung Entscheidungen trafen, die signalisierten, dass sie ihre Ausstrahlung falsch einschätzten. Dabei ging es nicht um Peinliches wie pinkfarbene Tangas, die hinten in der Falte zu dicker Pobacken steckten und vorn in gepolsterten Beuteln alles Hängende schützten, ganz zu schweigen von Gästen, die schlichtweg zu korpulent waren, um sich nur mit einem Hauch von Stoff zwischen Speckwülsten zu schmücken, nein, es ging eher um dezente Fehlgriffe wie Einstecktücher, denen man ansah, dass sie sonst nicht getragen wurden, oder um Ringe und Kettchen, die auf neureich oder Unterwelt anspielten, obwohl beides nur lächerlich wirkte.
Der Mann, der sich Günter nannte, stand lange am Büfett. Sie sah, wie er zögerte. Zwei-, dreimal war er schon auf und ab gegangen, ohne sich entscheiden zu können.
»Nehmen Sie zuerst die Zucchinicremesuppe«, empfahl Ann-Charlotte. »Sie werden begeistert sein, es sei denn, Sie finden Kokosnussmilch abscheulich.«
»Danke. Und danach?«
»Den Seeteufel, dazu etwas Reis und Gemüse aus dem Wok. Und keine Saucen, die können Ihnen zu schwer im Magen liegen.«
»Sie scheinen sich gut auszukennen.«
»O ja. Ich bin Stammgast, wenn Sie so wollen.«
»Und Ihr Mann? Oder Ihr Freund?«
»Ich komme allein.«
»Hat uns deshalb die Gastgeberin so umstandslos miteinander bekannt gemacht? Weil wir beide allein sind?«
»Vielleicht. Wir sind wohl die Singles heute Abend.«
»Bitte, fühlen Sie sich zu nichts verpflichtet«, sagte Günter.
Ann-Charlotte griff nach einer Flasche Weißwein. »Zum Fisch würde der hervorragend passen. Aus der Gascogne, fruchtig, leicht, ein Wein, der Ihnen schmecken wird.«
»Und Sie? Haben Sie schon gegessen?«
»Ja, das Gleiche, was ich Ihnen empfohlen habe.«
Einige Gäste grüßten sie. Ihre venezianische Maske mit den verspielten Federn war genauso bekannt wie ihre Erscheinung. Luise und Jochen standen ihr gegenüber und winkten dezent. Beide unterhielten sich mit einem Paar, das schnörkellos geformte rote Masken trug, die bis auf Öffnungen für Augen, Nase und Mund das gesamte Gesicht bedeckten. Ihre eigene Maske war auch rot, schon immer, eine andere Farbe hätte sie nie getragen.
»Hallo, Ann-Charlotte«, flüsterte eine schlanke, blonde Frau in einem trägerlosen Kleid, die sich vor Monaten mit Grace vorgestellt hatte. Grace und ihr Mann George, ein muskulöser Typ mit ausgesprochen schönen Händen, waren Amerikaner, die am Tegernsee lebten und seit ihrem ersten Besuch öfter hier zu Gast waren.
Grace musterte Günter schamlos, schließlich lächelte sie, reichte ihm die Hand und verschwand hinter Senta, die sich angeregt mit einem übertrieben gestikulierenden Riesen unterhielt, sodass Ann-Charlotte für einen kurzen Moment befürchtete, er würde sie mit Rotwein bekleckern.
»Man kennt sich«, bemerkte Günter. »Die Masken können und sollen nicht verbergen, wer wen schon einige Male getroffen hat. Stimmt’s?«
»Ja, für viele sind sie nur Spaß, Show, wenn Sie so wollen. Für andere aber auch ein echtes Inkognito oder ein Kick.
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