Flucht vor Ursula by Balder Olden

Flucht vor Ursula by Balder Olden

Autor:Balder Olden
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Universitas


In Suez nimmt Lindpeitner Blux am Arm, und sie schlendern in eine Sonnenglut hinein mit -Öl- und Zwiebelgestank, der so rasant ist, daß man kaum sieht und hört, nur riecht.

»Wenn Sie bestimmt nicht gekränkt sind, lieber Blux, geb ich Ihnen einen Wink.«

Sie sitzen unter Steinbogen, die sich rund um einen phantastisch schmutzigen Platz ziehn, trinken Limonade und erleben – nun ihre Nasen akklimatisiert sind – Farben und Geräusche in herrlicher Dissonanz.

Bettler und Hausierer wie Fliegen. Der Orient bestürmt sie.

»Herr Baronn, Schweinerei!«

Jeder Mensch bietet an, lasterhafte Photographien von kindlicher Primitivität, verbotene Opium-Zigaretten ohne Opium, auf Ehrenwort gestohlene goldene Uhren, Adressen zu allen Orgien dieser Welt. »Determinismus, lieber Blux, ist die Lehre vom Vorbestimmten. Vous êtes déterministe? heißt – Sie glauben nicht an Ihren Willen sondern an die Unbedingtheit Ihres Schicksals?«

Blux starrt und staunt.

»Dann hab ich ja sinnlos dummes Zeug geschwätzt!«

»Es macht nichts, Blux. Das Mädchen ist gescheit genug für euch beide, nicht nur gebildet. Aber ich wollte Ihnen zu seinen Gedanken helfen –. Das ist eine Frau, Blux, ein Mensch! Halten Sie sich an die!«

Es handelt sich um die Dame vom Boden des Schwimmbassins. Blux hat sie gesucht, sie aber hat ihn gefunden. Sie lag im Streckstuhl, eine schwarze Brille mit breiten Trägern ums Gesicht, eine Schirmmütze in die Stirn gezogen, die Füße bedeckt – kein Mensch hätte sie angesehn.

Blux hatte sich gerade deshalb in ihre Nähe gesetzt. Er wollte beobachten, suchen und von niemand gestört werden. Gerade sie wollte er suchen, die er nicht ansah.

»Sie sind nicht treu, Monsieur! Unter Wasser umarmen Sie mich, unter dem Himmel grüßen Sie nicht.«

Fünf Minuten später trieben sie Philosophie – Blux rudert sich mühsam durch alle Sprachen, die er radebrecht. Sie antwortet immer französisch, aber sie verstand – oft nur zu gut! –, was er aus Englisch, Französisch, Spanisch oder im Notfall sogar Deutsch zusammenfischte.

Er hatte betont, daß man doch nur ein Stein ist, den ein anderer geworfen hat. Man möchte brav und fromm sein, ein gutes Kind, wenn man wüßte: wer ist der Vater, was befiehlt er?

»Aber, màs o menos, Mademoiselle, it’s only necessity ce que nous faisons . . . Wir stehen am dreißigsten Geburtstag schon vor dem Spiegel unserer Tage und forschen aus unseren Taten: wer bist du, seltsames Gebilde? Unter welchem Gesetz, in welcher Richtung?«

»Sie sind Determinist!«

»Mais non!« Er kannte das Wort nicht und verwahrte sich dagegen, Determinist zu sein.

Jetzt bedeutet es gerade das, was er eigentlich war und bekennen wollte.

Lindpeitner hilft noch ein bißchen für die Zukunft aus. Er hatte nicht gehorcht, nur seine Schilderung einer indischen Witwenverbrennung, die er bald erleben würde, auf Minuten unterbrochen, um die Flüglein beide über seinen Schützling Blux zu breiten.

»Posieren Sie nie vor diesem Mädchen! Gestehen Sie restlos jede Unbildung, jede Unsicherheit, jede meinetwegen kriminelle Möglichkeit Ihrer Mördergrube, aus der Sie ein Herz zu machen suchen. Hier gewinnen Sie eine Schwester mit Mutteraugen.«

Am Abend trat Blux vor Mona hin, die jetzt reich und sehr anmutig wirkte, ein bißchen nonnenhaft freilich auch – jetzt viel zarter, als sie im Schwimmbassin schien. Aber bei aller Anmut so rührend



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