Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman by Patricia Cornwell

Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman by Patricia Cornwell

Autor:Patricia Cornwell
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783455402261
Herausgeber: Hoffmann und Campe Verlag
veröffentlicht: 2009-03-13T04:00:00+00:00


10

Die nationale FBI-Akademie in Quantico, Virginia, ist eine Oase aus Ziegeln und Glas inmitten eines künstlich erzeugten Kriegs. Niemals werde ich meinen ersten Aufenthalt dort vergessen, der nun schon Jahre zurücklag. Damals hörte ich beim Schlafengehen wie beim Aufstehen das Geratter automatischer Gewehre, und als ich einmal auf dem Trimmpfad im Wald in den falschen Weg einbog, hätte mich beinahe ein Panzer platt gewalzt.

Es war Freitagmorgen. Wir hatten einen Termin mit Benton Wesley, und seit Marino den Brunnen und die Flaggen der Akademie gesehen hatte, hatte er sichtlich Haltung angenommen. Auf unserem Weg durch die weiträumige, sonnendurchflutete Lobby musste ich bei jedem seiner Schritte zwei machen, um mit ihm mithalten zu können. Das neue Gebäude sah einem guten Hotel so ähnlich, dass es den Spitznamen »Quantico Hilton« wirklich verdiente. Marino gab seinen Revolver am Empfangsschalter ab und trug uns ein, und während wir uns unsere Besucherausweise an die Jacken knipsten, rief der Mann vom Empfang Wesley an, um sich von ihm unseren Status als bevorzugte Besucher bestätigen zu lassen.

In Quantico verknüpft ein Labyrinth aus gläsernen Verbindungsgängen die verschiedenen Büro-, Lehrsaal- und Laborkomplexe miteinander, und man kann alle Gebäude erreichen, ohne jemals hinaus ins Freie zu müssen. Ganz egal, wie oft ich hierherkam, ich verlief mich immer.

Marino schien zu wissen, wo er hinging, also heftete ich mich pflichtschuldigst an seine Fersen. Eine Menge Studenten kamen uns entgegen, die alle an ihren Farben zu erkennen waren. Rote Hemden und Khakihosen trugen die Officers der Polizei. Graue Hemden mit schwarzen Drillichhosen, die in auf Hochglanz gewienerten Stiefeln steckten, verrieten Drogenfahnder, die sich noch in Ausbildung befanden, während die länger Dienenden in düsterem Schwarz herumliefen. Neueingestellte FBI-Agenten trugen Blau und Khaki, und Mitglieder der Elite-Teams zur Geiselbefreiung waren ganz in Weiß. Alle, Männer wie Frauen, sahen tadellos gepflegt und auffallend durchtrainiert aus. Sie legten ein militärisch-zurückhaltendes Gebaren an den Tag, das man förmlich riechen konnte, wie den Hauch von Gewehrreinigungsöl, der sie ständig begleitete.

Wir bestiegen einen Lastenaufzug, und Marino drückte den Knopf für das unterste Kellergeschoss. J. Edgar Hoovers geheimer Atombunker befand sich zwanzig Meter tief unter der Erde, zwei Stockwerke unter dem ins Gebäude integrierten Schießstand. Es schien mir immer irgendwie passend, dass die Akademie ihre Profiler näher an der Hölle als am Himmel untergebracht hatte. Ihre offiziellen Bezeichnungen wechselten häufig. Im Moment wurden sie, soweit ich informiert war, »Criminal Investigative Agents« genannt, aber die Abkürzung CIA sorgte sicher für einige Verwirrung. Die Arbeit dieser Wissenschaftler hingegen blieb immer die gleiche, solange es Psychopathen, Soziopathen und Lustmörder gab, oder wie auch immer man schlechte Menschen nennen will, denen es Vergnügen bereitet, anderen unvorstellbare Schmerzen zuzufügen.

Wir stiegen aus dem Aufzug und gingen einen tristen Gang entlang in ein ebenso tristes Bürozimmer. Wesley kam und führte uns in ein kleines Konferenzzimmer, wo Roy Hanowell an einem langen, glänzenden Tisch saß. Der Experte für Textilfasern tat wie üblich so, als kenne er mich nicht, obwohl wir uns schon mehrere Male begegnet waren. Wie jedes Mal, wenn er mir die Hand hinstreckte, stellte ich mich ihm demonstrativ vor.



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