Feuerherz. by Senait Mehari
Autor:Senait Mehari [Mehari, Senait]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426273418
Amazon: 3426273411
Herausgeber: Droemer Knaur
veröffentlicht: 2004-09-30T00:00:00+00:00
Die Flucht
Täglich mehrten sich die Anzeichen für die schleichende Auflösung der Jebha. Einmal kamen zwei Mädchen abends vom Brennholzsammeln nicht zurück. Wir anderen Kinder schwärmten am nächsten Morgen aus, um sie zu suchen, fanden aber nicht die kleinste Spur. Erst am Tag darauf stießen unsere Kameraden auf die zwei Vermissten - sie waren tot, wahrscheinlich von Beduinen erstochen.
Ob es um das Brennholz gegangen war oder ob es aus einem anderen Grund Streit gegeben hatte, sollten wir nie erfahren.
Anderntags machte sich ein Trupp spätabends auf den Weg zur Front. Sie wollten in der Nacht gehen, weil es nachts kühler und sicherer war, um früh am Morgen ein wenig zu rasten und danach einen Hinterhalt für die Feinde anzulegen. Die Gruppe bestand aus dreißig, vierzig Männern, darunter viele Jungs. Keiner von ihnen kam je zurück. Erst vermuteten unsere Anführer, der Trupp sei selbst in einen Hinterhalt geraten, aber so viel wir auch suchten, es waren keine Spuren zu finden. Dann hieß es, die Kameraden seien getürmt, weggerannt vor dem Krieg und über die nahe Grenze in den Sudan geflüchtet. Laut durfte man das natürlich nicht sagen, aber einige von uns fragten sich auch so, warum wir unseren sinnlosen Kampf weiterführen und unseren Kopf riskieren sollten, wenn es auch anders ging?
Wenige Tage später ging ich zusammen mit meinen beiden Schwestern zum nahen Fluss, um Wasser zu holen. Im Flussbett war nur trockene, aufgerissene Erde, aber wir wussten, dass es ein Stückchen weiter eine Stelle gab, an der ein paar magere Bäume standen, ein sicheres Zeichen dafür, dass es hier Wasser gab. Hier waren wir schon oft fündig geworden. Blieb nur die Frage, wie tief wir diesmal graben mussten, um bis zum Wasser vorzudringen.
Über eine steile, sandige und trockene Böschung kletterten wir in das Flussbett, hinunter, mit einem Spaten, einem Eimer und ein paar Plastikkanistern bewaffnet. Wir suchten uns eine geeignete Stelle aus und begannen abwechselnd zu graben. Es ging leicht, denn der Boden war sehr sandig und wurde bald dunkel vor Feuchtigkeit. Man musste nur darauf achten, dass die Wände des Lochs nicht ständig nachrutschten, weil der Boden sehr locker lag.
Eine von uns stimmte ein Lied an. Wir fühlten uns völlig ungestört und sicher. Plötzlich hörten wir vom anderen Flussufer Geräusche. Dort schlugen ein paar Beduinen mit ihren Kamelen ihr Lager auf, und zwei von ihnen machten sich daran, ins Flussbett hinunterzusteigen. Es war nicht alltäglich, aber auch nicht ungewöhnlich, Beduinen zu begegnen; auf der Suche nach Nahrung für ihre Tiere durchstreiften sie die Grenzregion zwischen dem Sudan und Äthiopien und trieben mit allerlei Dingen Handel. Da wir weder Geld noch Dinge besaßen, die wir gegen die Waren der Beduinen hätten eintauschen können, beschränkten sich unsere Kontakte auf zufällige Begegnungen. Normalerweise scherten sich die Beduinen nicht um uns, sondern zogen ihrer Wege, weil sie wussten, das wir bloß arme Schlucker waren. Trotzdem mussten wir vorsichtig sein, weil es ein paar Zwischenfälle gegeben hatte.
Die beiden Beduinen, die ins Flussbett hinuntergeklettert waren, hielten auf uns zu. Was sollten wir tun? Weglaufen?
Unser Wasserloch, das schon einigermaßen
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