Erben des Holocaust by Treuenfeld Andrea

Erben des Holocaust by Treuenfeld Andrea

Autor:Treuenfeld, Andrea [Treuenfeld, Andrea]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-GVH Religion und Gesellschaft
veröffentlicht: 2017-01-18T23:00:00+00:00


Bis zu meinem achten Lebensjahr ging ich in Wien zur Schule. Dann zogen wir nach Israel, weil meine beiden Schwestern – Timna ist elf Jahre älter, Talia neun – dort zum Militär gingen, und meine Eltern versuchen wollten, ganz da zu leben, nicht nur drei Monate im Sommer in En Hod, dem Künstlerdorf, wo wir ein Haus haben. Ich kam in die zweite Klasse der Volksschule und da wurde mir natürlich der Holocaust sehr bewusst. Nicht die Details, aber es gibt den Holocaust-Tag*, und überhaupt hat das Thema in Israel eine ganz andere Dynamik. Als ich elf Jahre alt war, sind wir wieder zurückgezogen, weil mein Vater dann doch viel mehr in Wien gearbeitet hat, und ich kam in die amerikanische Schule. Da hingegen wurde nicht viel über den Holocaust geredet. Für die letzten zwei Schuljahre bin ich wieder zurück nach Israel – und hatte ein Jahr lang jeden Tag eine Stunde Holocaust-Kunde. Vom Antisemitismus über die Pogrome – die ganze Komplexität der Sache bis zur Entstehung Israels, inklusive der Tatsache, dass England sowohl den Juden als auch den Arabern ein Heimatland versprochen hat. Das fand ich sehr spannend, weil es nicht um »wir Opfer« ging, sondern um eine kritische Betrachtung der Geschichte.

Nach der Matura hab ich mein Studium in Wien gemacht. Und dann kam die Zeit, in der ich als Schauspielerin sehr viel in Deutschland gearbeitet habe. Und mich da – als Jüdin – viel wohler gefühlt habe als in Österreich. Ich hatte das Gefühl, dass die Deutschen einen offeneren, klareren Umgang mit dem ganzen Thema haben als die Österreicher. Die sagen noch immer, wir sind Opfer des Nationalsozialismus. Verrückt! Dadurch, dass Deutschland so radikal weggeweht wurde, mussten die wirklich neu anfangen. Ich fand das so angenehm dort. Jeder hat mich ganz einfach gefragt: »Und was war mit deinen Eltern?« Sehr interessiert, jedenfalls meine Generation.

Wahrscheinlich hätte ich eher einen Deutschen geheiratet als einen Österreicher. Meine Schwester Timna lebt zwar in Wien, hat aber einen Israeli geheiratet, und Talia ist in Israel verheiratet. Ich bin die Einzige, die nochmal eine ganz andere Seite aufgemacht hat: Mein Mann ist Norweger. Seine Großeltern waren Missionare in Indien, kommen also aus der christlichen, der protestantischen Ecke. Er ist nicht konvertiert, unsere Kinder sind natürlich – durch mich – jüdisch.

Ich weiß noch, wie ich jünger war, da war es für meine Eltern total wichtig, dass ich mit jüdischen Jungen verkehr. Und bei meinen Geschwistern war das überhaupt super wichtig. Je mehr Zeit verging, desto mehr haben sie sich entspannt, was das betrifft. Sie haben genau gesehen, das ist eh klar, wenn du entscheidest, in so einem Land zu leben, dann kannst du deine Tochter nicht kontrollieren, in wen sie sich verliebt. Davon abgesehen: Ich hab alles, was sich ein Mensch wünschen kann, von meinen Eltern bekommen. Aber auch nicht im Übermaß, ich bin keine jewish princess. Sie haben das toll hingekriegt – sich aus der absoluten Armut, gerade bei meinem Vater, hochzuarbeiten und jetzt einer der beliebtesten Menschen dieser Stadt zu sein, in der er als Kind verfolgt wurde.



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