Drum morde, wer sich ewig bindet by Peter Wehle

Drum morde, wer sich ewig bindet by Peter Wehle

Autor:Peter Wehle [Wehle, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Haymon
veröffentlicht: 2017-02-26T23:00:00+00:00


Mittwoch, 8. Jänner, 9.09 Uhr

„Herr Hofrat, auch so sportlich? Dabei haben Sie das doch gar nicht nötig! Außerdem sollten Sie in Ihrem Alter vielleicht nicht mehr ganz so schnell die Treppen hinunterstürzen. Nicht, dass ich Sie noch bei mir auf dem Tisch wiedersehe.“ Da das Lachen der Gerichtsmedizinerin Ähnlichkeit mit einer Explosion hatte, hallte das Stiegenhaus so laut, dass Halbs ironische Antwort akustisch unterging. „Ach Gott, ja, aber genug der zwischenmenschlichen Scherze. Ich darf gleich den angenehmen Zufall unserer Begegnung nützen und Ihnen danken! Sie versorgen mich wieder mit Arbeit, dass es nur so eine Freude ist! Weil dieser erste …“

„Frau Doktor, so gerne ich sonst mit Ihnen rede oder auch nur plaudere, im Moment bin ich in fürchterlicher Eile. Also, wenn es etwas Wichtiges ist, dann …

„Ach Gott, ja, verzeihen Sie, ich bin immer so in meiner ganz eigenen Welt gefangen, dass ich oft die sozialen Botschaften meiner Mitmenschen gar nicht so richtig wahrnehme. Dann … ja, im Steno-Stil: Zuerst zur Traigenberger-Obduktion … die ist ja richtig schön ergiebig! Fesselspuren an Handgelenken und Beinen, außerdem war der Mund verklebt. Noch etwas? Ah ja, noch etwas! Eine Tragödie …“

„Das ist Mord immer.“

„Aber er ist nicht immer so … so unnötig. Denn: Doktor Traigenberger hat nicht nur an einem Hirntumor, sondern auch an Lungenkrebs gelitten. Also …“

„Wer immer das getan hat, hatte keine Ahnung, dass er nur noch kurze Zeit hätte warten müssen.“ Halb begann plötzlich zu frösteln. Zwar blieb Mord Mord, egal, wer das Opfer war, aber irgendwie hatte Doktor Lirtscherer schon Recht – ein Mord an einem Todkranken war noch schwerer zu verdauen als ein „normaler“ Mord. „Danke, Frau Doktor! Wie gesagt, ich muss jetzt rennen. Wiederschaun!“

„Auf Wiedersehen, Herr Hofrat! Und denken Sie daran: Nicht zu schnell zu laufen, weil Ihre Beine sind auch nicht mehr …“

Mitten im Wegstürzen drehte sich Halb noch einmal um, als ob er die Gerichtsmedizinerin vom Gegenteil überzeugen wollte. „Danke für das Stichwort – ‚Beine‘, ich wollte Sie nämlich noch um etwas bitten. Etwas Seltsames, aber …“

„Ach Gott, ja, das bin ich gewöhnt, in der Gerichtsmedizin ist meist das Gewöhnliche das Unerwartete. Und zwar?“

„Bei der Obduktion von Herrn Ekkehardt, bitte sehen Sie sich die Mordwaffe genau an. Dieser Oberschenkelknochen war zwar genauso wie die anderen Knochen voller Erde – und logischerweise auch mit Blut verschmiert –, aber trotzdem … er ist mir irgendwie fester und breiter vorgekommen. Und heller. Ich nehme zwar an, dass das ganz natürliche Ursachen haben kann, trotzdem …“

„Gerne, Herr Hofrat, ich werde mir den knöchernen Prügel genau ansehen. Und vielleicht können wir auch noch einen DNA-Vergleich mit den anderen Knochen machen, die dieses Fellvieh ausgegraben und verstreut hat. Das wäre doch eine Überraschung, wenn gerade das Femur …“

„Das ist …“

„… ach Gott, ja, entschuldigen Sie meine Fach-Fremdsprache. Eben der Oberschenkelknochen – vielleicht stammt der ja gar nicht aus dem Grab der verstorbenen Frau Ekkehardt. Aber jetzt, Herr Hofrat, eilen Sie dahin, aber fallen Sie nicht da hin!“ Doktor Lirtscherers Lachen dröhnte so laut, dass es Halb noch in den Ohren klang, als er bereits zur Straßenbahn lief.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.