Dreamland Deutschland? by Antonie Rietzschel

Autor:Antonie Rietzschel
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783446448193
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2016-04-12T16:00:00+00:00

Mohanads und Yousefs kleines »Hexenhäuschen«, die Unterkunft in der Overbergstraße.

Foto: Antonie Rietzschel

Mohanad möchte dagegen unbedingt studieren. Wieder sitzt er stundenlang gebannt vor Google, der Suchmaschine, mit der er sich sein Dreamland Deutschland zusammengepuzzelt hat. Er gibt auf Englisch ein: »Beste Uni«, »Mechatronik«, »Deutschland«. Er findet Bochum, Aachen, Münster Essen. Seine Wahl fällt auf Aachen. Ihm gefällt, dass es eine echte Studentenstadt ist und Menschen aus aller Welt die Universität dort besuchen. Er sucht sogar nach Wohnungen. Auch Naima bestärkt Mohanad in seiner Entscheidung. Sie hat selbst in Aachen gelebt und sich dort sehr wohl gefühlt. Sie rät Mohanad in Belgien zu wohnen und in Aachen zu studieren. Gleichzeitig versucht Naima die beiden etwas zu bremsen. In den vergangenen Monaten hat sie ihnen immer wieder eingetrichtert, wie wichtig es ist, sehr gut Deutsch sprechen zu können: »Alles andere ist zweitrangig.« Mohanad und Yousef hielten sich daran und erreichten fast eine hundertprozentige Anwesenheit in ihrem Kurs.

»Ihr müsst erst richtig Deutsch sprechen. Macht den B1-Kurs zu Ende, danach könnt ihr tun und lassen, was ihr wollt«, sagt die Lehrerin zu Yousef und Mohanad. Oelde sei für den Anfang gut, weil es klein und überschaubar sei. »Hier habt ihr einen Platz in einem Deutschkurs.« Abwarten bis zur Prüfung, für Mohanad und Yousef bedeutet das, dass sie mehr als ein halbes Jahr in Oelde bleiben müssen. Nach dem Gespräch mit Naima sind sie bereit dazu. Doch es dauert nicht lange, da werden sie schon wieder unruhig.

Ein Bekannter wohnt mittlerweile in Essen. Er sagt, Yousef könne dort eine Ausbildung als Automechaniker machen, es gebe dort Arbeit und vielleicht fänden sie eine Wohnung direkt neben der Universität. »Es ist eine große Stadt mit vielen netten Menschen«, berichtet der Bekannte. Die beiden Brüder vermissen das Gewusel der Großstadt. Sie lockt das Angebot. Endlich etwas Neues. »Wir ziehen jetzt nach Essen«, sagen sie zu Naima. Die ist sauer. »Macht, was ihr wollt, ist mir egal, was aus euch wird. Ihr hört eh nicht auf mich«, sagt sie. Vier Unterrichtsstunden lang würdigt sie die beiden keines Blickes und spricht nur das Nötigste mit ihnen. Danach nimmt sie die Brüder beiseite: »Ihr stellt euch das alles so einfach vor – wie soll Yousef eine Ausbildung machen, wenn er nicht richtig Deutsch sprechen kann?« Eine erboste Naima? Für Mohanad und Yousef ist das ein schlechtes Vorzeichen. Sie entscheiden sich zunächst einmal abzuwarten, ob einer von ihnen eine Wohnung in Oelde bekommt.

Es ist Yousef, der sich diesmal um alles kümmert. Er sucht in der Zeitung nach Wohnungen und meldet sich bei einer der größten Wohnungsbaugesellschaften in Oelde an. Nach kurzer Zeit stößt er auf eine passende Wohnung. Man verspricht ihm, sich zu melden. Doch die Tage vergehen und er hört nichts. Schließlich ist die Wohnung weg.

Über eine Annonce findet er eine andere Wohnung. Sie liegt direkt gegenüber des Fitnessstudios. Die Vermieterin ist sehr nett und sagt Yousef, er sei der Erste, der die Wohnung anschaue, und er könne sie haben. Wenige Tage später soll er den Vertrag unterschreiben. Doch dann ruft ihn die Vermieterin an und sagt, die Wohnung sei doch schon vergeben, an eine Frau.

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