Dorfschweigen - Westfalen Krimi by Jobst Schlennstedt

Autor:Jobst Schlennstedt [Schlennstedt, Jobst]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783863581169
veröffentlicht: 2014-04-27T22:00:00+00:00

18

Er sah den Mercedes auf sich zukommen und konnte gerade noch zur Seite springen, ehe der Wagen mit hoher Geschwindigkeit und einem ohrenbetäubenden Aufprallgeräusch gegen einen dicken Baumstamm krachte.

Stratemeier musste ein noch größerer Idiot sein, als er ohnehin schon vermutet hatte. Warum zum Teufel hatte er nicht angehalten, als er das Hindernis auf der Straße gesehen hatte? Er hatte viel zu spät gebremst und war mit fast ungeminderter Geschwindigkeit in die lebensgroße Puppe hineingefahren, die er mitten auf der Straße auf einem Stuhl drapiert hatte.

Ingo und Dirk waren nicht gekommen. Sie hatten tatsächlich gekniffen. Sein anfänglicher Ärger darüber war jedoch in Gleichgültigkeit übergegangen. Wahrscheinlich war es besser, wenn er sich zukünftig tatsächlich nur noch auf sich selbst verließ.

Vorsichtig näherte er sich dem Wrack. Aus dem demolierten Motorraum der Limousine stieg Rauch auf, und die Front-Airbags waren aufgegangen. Er rüttelte an der Tür, aber sie ließ sich nicht öffnen. Durch den Aufprall hatte sich die Karosserie völlig verzogen. Es dauerte eine Weile, ehe er die Tür einen Spalt geöffnet hatte, sodass er ins Innere hineingreifen konnte. Er spürte, dass sich Stratemeier bewegte.

Er tastete mit der Hand über dessen Gesicht. Es war feucht. Sofort war ihm klar, was das bedeutete. Mit aller Kraft riss er weiter an der Tür, bis sie endlich nachgab. Erst jetzt sah er, wie schwer es Stratemeier tatsächlich erwischt hatte. Er wimmerte leise und krümmte sich vor Schmerzen. Es schien, als hätte er sich nicht nur am Kopf, sondern auch an den Beinen schwer verletzt.

Rasch öffnete er den Gurt und wuchtete Stratemeier ohne Rücksicht auf dessen schmerzerfülltes Stöhnen aus dem Wrack. Dann packte er ihn an den Armen und zog ihn aus dem leicht abschüssigen Wald zurück auf die Straße.

Er hatte im Lauf der Jahre die Fähigkeit entwickelt, Geräusche wahrzunehmen, die weit außerhalb der Hörweite eines normalen Menschen lagen. Sein einsames, zurückgezogenes Leben und die endlosen Spaziergänge im Wald waren ihm dabei zugutegekommen. In diesem Augenblick war jedoch nichts zu hören. Kein Motorengeräusch. Nicht einmal ein Tier in der Nähe.

Er legte Stratemeier unsanft auf der Straße ab und verschnaufte für einen Augenblick. Noch einmal spielte er in Gedanken durch, welche Konsequenzen Stratemeiers Unfall nach sich ziehen würde. Wahrscheinlich nur die, dass sich die Bullen noch mehr wunderten. Sie würden sich die Frage stellen, weshalb jemand gegen einen Baum fuhr und anschließend tot auf der Straße lag. Erschossen.

Je länger er darüber nachgedacht hatte, desto mehr Gefallen hatte er an diesem Plan gefunden. Er beugte sich zu Stratemeier herunter und blickte ihm in die halb geschlossenen Augen. Wenn er ihn nicht erschießen würde, ginge er wohl auch von allein vor die Hunde. Er zeigte kaum mehr eine Reaktion.

Plötzlich nahm er ein Motorengeräusch wahr. Er war sich sicher, dass es näher kam. Aber noch klang es, als sei es mehrere Kilometer entfernt.

Er griff in die Jackentasche nach seiner Česká und packte mit der anderen Hand Stratemeier an den Haaren, um ihn hochzuziehen. Routiniert legte er den Finger an den Abzug, führte die Waffe an Stratemeiers Kopf und drückte ab.

Trotz des Schalldämpfers hallte der Schuss dumpf in der kalten Winternacht wider.

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