Dienstmaedchen im Unglueck by M. Louisa Locke

Autor:M. Louisa Locke [Locke, M. Louisa]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi, azw3
Tags: Historical
ISBN: 9781477823736
Goodreads: 22931697
Herausgeber: Amazon Crossings
veröffentlicht: 2009-11-27T23:00:00+00:00

KAPITEL 22

Vier Stunden später warf Annie einen Blick in den Spiegel, der in der Eingangshalle des Hauses hing, um zu überprüfen, ob ihr Zopf noch immer zu einem sauberen Nackenknoten zusammengesteckt war. Soeben hatte sie den dritten Besucher an diesem Morgen abgewiesen, mit der üblichen Floskel, dass ihre Herrin nicht zu Hause sei. Natürlich war Mrs Voss zu Hause, wie jeder Besucher genau wusste, doch sie empfing noch immer nicht. Und niemand, der wirklich von ihr empfangen werden wollte, hätte ihr so früh am Morgen einen Besuch abgestattet. Die meisten Besuche fanden am Nachmittag statt. Jeder Besucher hatte eine Visitenkarte hinterlassen, eine Dame hatte sogar eine große Schale mit abscheulichem Zitronengelee mitgebracht, die Wong ihr mit hochgezogenen Augenbrauen und einem herzzerreißenden Seufzer abgenommen hatte. Annie hoffte inständig, dass er sich nicht verpflichtet fühlen würde, dieses Geschenk den Dienstboten als Mittagessen zu servieren. Sie hatte noch nie viel für blassgelbes, zitterndes Wasser übrig gehabt, und heute brauchte sie jede Stärkung, die sie nur bekommen konnte.

Glücklicherweise war Nate Dawson nicht unter den Besuchern gewesen. Auch war die Polizei nicht ins Haus gekommen. Nellies Tod war in der Morgenzeitung nicht erwähnt worden, und im Laufe des Tages wurden die Geschehnisse für Annie immer unwirklicher, während sie sich durch das stille Haus bewegte, um ihre Arbeit zu verrichten.

Es war erst Vormittag, doch sie hatte bereits dampfende Krüge mit heißem Wasser zu den beiden Damen des Hauses geschleppt, vier Kamine gereinigt und angezündet, das Frühstück serviert, Frühstücksgeschirr abgewaschen, die Betten gemacht und zwei Ladungen Wäsche geschrubbt, gespült und zum Trocknen aufgehängt. Kein Wunder, dass die langen Haarnadeln, die ihren säuberlich gesteckten Knoten festhalten sollten, allmählich ihren Dienst versagten. Angesichts ihres Spiegelbilds rümpfte Annie die Nase und zupfte an ihrem Haar, wodurch nur erneut der Geruch von Wäscheblau freigesetzt wurde, der sie hartnäckig umgab.

Jetzt hatte sie noch eine Stunde Zeit, bevor sie Mrs Voss den Morgentee servieren musste, und sie wollte diese Zeit so gut wie möglich nutzen. Da Miss Nancy gerade das Haus verlassen hatte, um einige Einkäufe zu machen, und Cartier ihrer Herrin beim Ankleiden half, hielt Annie dies für eine günstige Gelegenheit, Miss Nancys Zimmer zu putzen und dabei gleichzeitig zu durchsuchen. Sie hoffte, das Zimmer wenigstens als ein Versteck für das verschwundene Geld oder die Wertpapiere ausschließen zu können oder vielleicht die Bücher zu finden, die jemand aus Matthews Geheimfach entfernt hatte.

Annie trug einen Wassereimer die Treppe hinauf und schlüpfte in Miss Nancys Zimmer. Den vollen Eimer stellte sie gegen die nur angelehnte Tür. Wenn jetzt jemand versuchte, das Zimmer zu betreten, würde er mit der Tür auch den schweren Eimer wegschieben müssen, sodass Annie Zeit bleiben würde, die Schubladen oder Schränke zu schließen, die sie gerade durchsuchte, und sich den Anschein zu geben, fleißig ihrer Arbeit nachzugehen. Das war zumindest der Plan.

Annie stand im Zimmer und sah sich um. Miss Nancys Zimmer lag gegenüber vom Schlafzimmer von Mrs Voss im ersten Stock des Hauses. Es war das kleinste Zimmer in diesem Stockwerk und diente Miss Nancy als Wohn- und Schlafzimmer. Annie wunderte sich darüber, da im ersten und zweiten Stock mehrere größere Zimmer leer standen.

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