Die Unzertrennlichen by Lilian Faschinger

Die Unzertrennlichen by Lilian Faschinger

Autor:Lilian Faschinger [Faschinger, Lilian]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-01-28T16:00:00+00:00


8

»Gestern habe ich Stefan von der Abtreibung informiert. Ich war mir sicher, die Mitteilung würde ihn hart treffen. Er hatte sich entschieden dagegen ausgesprochen, hatte sich das Kind gewünscht, mich beschworen, es zu behalten, obwohl ich ihm, sobald ich wußte, daß ich schwanger war, klar und deutlich auseinandergesetzt habe, daß ich kein Kind will – und von ihm schon gar nicht. Ich hätte ihm die Schwangerschaft verschweigen können. Aber die Aussicht darauf, ihn in Hochstimmung zu versetzen und seinen dummen, unberechtigten Optimismus gleich darauf wieder zu zerstören, war zu verlockend. Man fühlt sich ziemlich stark, wenn man die seelische Verfassung eines anderen beeinflussen, sie nach Gutdünken steuern kann. Ein angenehmes Gefühl. Ich habe schon früh Geschmack daran gefunden. Stefan hat es sich selbst zuzuschreiben, er fordert mich heraus. Sich vorzustellen, daß er sich von diesem Kind eine Verbesserung unserer Beziehung versprochen hat! Der naive Trottel hört nicht auf zu hoffen. Als ob unsere Ehe noch zu retten wäre. Ich habe ihn belogen, ihm erzählt, daß es Zwillingsembryos waren, da ich wußte, das würde ihn noch mehr verstören. Es war nur ein Kind. Aber seine verbissene Zuversicht, dieses unnachgiebige Festhalten an unserer Verbindung, die längst ruiniert ist, macht mich so wütend! Er verdient es, verletzt zu werden, er legt es darauf an. Sein zähes Anklammern nimmt einem den Atem, er lechzt danach, daß man ihm weh tut. Es macht einem sogar Spaß.

Jedenfalls erleichtert es mich ungemein, daß ich mir das Kind vom Hals geschafft habe. Ich bin überzeugt, es wäre ein Mädchen geworden. Diese kleine Frau, diese Rivalin hätte alles zunichte gemacht, meine Karriere, meine Freiheit, meine Attraktivität – alles, an dem mir etwas liegt. Ich fuhr in die Innenstadt, in die Klinik auf dem Fleischmarkt. Ein Segen, daß es sie gibt. Die Schwestern und Ärztinnen dort sind mir bekannt, schließlich war es nicht das erste Mal, dass ich ihre freundlichen Dienste in Anspruch nahm. Zwei ebenso hausbacken wie verbissen wirkende Abtreibungsgegnerinnen und ein fanatischer männlicher Mitstreiter mit flackerndem Blick standen mit ihren Plakaten vor dem Eingangstor und versuchten mich von meinem Entschluß abzubringen. Ärgerlich. Wie ich diese scheinheiligen katholischen Mütter mit ihrem vernünftigen Schuhwerk und ihren monströsen, mit Alarmanlage, Bordcomputer, Klimatisierungsautomatik, elektrisch verstellbarem und beheizbarem Außenspiegel, getönten Scheiben, Zentralverriegelung, Nebelscheinwerfern und Navigationsgerät ausgestatteten Kinderwagen verabscheue, mit denen sie einen auf dem Gehsteig zu rammen versuchen! Man erkennt sie von weitem. Umgekehrt ist das offenbar ebenso, die selbstgerechten Missionarinnen haben einen Blick für Frauen, deren Gebärfreudigkeit weniger ausgeprägt ist als die ihre. Es war jedenfalls nicht schwierig, sie mir vom Leib zu halten. Die Intervention war eine Bagatelle, man schläft ein, spürt nichts, ruht sich ein paar Stunden aus und verläßt die Klinik froh und befreit.

Stefan hat mir aufgelauert, wie üblich, wenn er nicht weiß, wo ich gewesen bin. Und wie üblich war er betrunken. In diesem Zustand ist er nicht zu ertragen. Er hat sofort mit seinem Verhör begonnen – wo warst du? Mit wem? Wo warst du? Mit wem? Ich bin in mein Zimmer gegangen, ohne etwas zu sagen, und habe abgeschlossen.



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