Die Tote von San Miguel by Woods Jonathan

Die Tote von San Miguel by Woods Jonathan

Autor:Woods, Jonathan [Woods, Jonathan]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-03-11T16:00:00+00:00


Kapitel 17

Die linke Seite des Polizeiwagens war hoffnungslos zerkratzt und zerbeult. Ein Scheinwerfer baumelte an seinen Kabeln herab wie die nackte Linse eines aus seiner Fassung gerissenen Roboterauges. Doch keiner der Reifen verlor Luft. Verwundet, ja, aber nicht tödlich getroffen.

Als Felicia in die überdachte Einfahrt des El Palacio Real einbog, des Vier-Sterne-Hotels, in dem Bass Smallwood sozusagen in Schutzhaft saß, bedachte der Chefpage den Wagen mit einem missbilligenden Blick. Diaz zeigte ihm seine Dienstmarke und betrat wortlos die Lobby. Die Marmorverkleidungen schimmerten so glänzend wie frisch polierte Stiefel. Ein künstlicher Wasserfall und etliche Farne in Kübeln verliehen der Lobby eine pseudotropische Atmosphäre.

Felicia holte Diaz vor den Aufzügen ein. Sie wirkte ungehalten.

»Gewöhn dich daran«, sagte Diaz. »Wenn du ein Bulle bist, wollen dich eine Menge Leute am liebsten tot sehen. Aber die Wahrscheinlichkeit, diesen Bastard zu schnappen oder auch nur den Pick-up zu finden, ist nahezu null. Bis Mitternacht ist der Ram längst in seine Einzelteile zerlegt und stückweise an jeden zweiten Schrottplatz in Leon verhökert worden.«

»Das ist nicht der Grund«, erwiderte Felicia. »Ich ärgere mich, weil der Portier darauf bestanden hat, dass ich den Wagen im hintersten Winkel der Parkgarage abstellen soll.«

»Fick den Portier.«

»Habe ich bereits getan. Der Typ war früher mein Freund.«

Die Fahrstuhltür öffnete sich, und sie fuhren schweigend in die zweite Etage. Diaz war damit beschäftigt, Felicias Enthüllung zu verarbeiten. Trotz des Rauchverbotsschildes über der Tastenleiste des Fahrstuhls klemmte eine qualmende Zigarette zwischen seinen Lippen.

Sie fanden Bass Smallwood, einen gringo von gut einem Meter neunzig und knapp hundertzwanzig Kilo, auf dem Kingsize-Bett liegend vor, alle viere von sich gestreckt. Bis auf ein Paar schwarze Socken und mit gelben Smileys bedruckte Boxershorts war er völlig nackt. Unter den Strahlen der Deckenbeleuchtung glänzte sein Körper vor Schweiß.

Der säuerliche Geruch von Erbrochenem hing in der Luft. In einer Zimmerecke stand ein Servierwagen mit den Überresten eines Steaks samt Beilagen. Auf dem abgenagten Steakknochen hatte sich ein kopulierendes Fliegenpärchen niedergelassen. Im stinkenden Luftraum über dem Bett drehte eine grün schillernde Fliege Loopings wie ein Doppeldecker aus dem Ersten Weltkrieg auf einer Flugshow.

Im Fernsehen lief eine telenovela ohne Ton.

»Was ist hier passiert?«, wollte Diaz wissen.

Armando betrat das Zimmer durch die gläserne Schiebetür vom Balkon, das Gesicht missmutig verzogen. »Nach der ganzen Sauferei hat er darauf bestanden, zu Mittag zu essen«, berichtete er. »Danach hat er gekotzt. Und jetzt fühle ich mich nicht besonders gut. Vielleicht hat er ja irgendeinen Virus aus Tejas eingeschleppt.«

»Sei nicht albern«, knurrte Diaz. An diesem Nachmittag würde er Armando unter keinen Umständen zu seiner geliebten Carmen nach Hause gehen lassen. »Schaff Smallwood unter die Dusche. Bestell beim Zimmerservice ein Kännchen Kräutertee. Und dann sorg dafür, dass er sich anzieht. Du findest mich auf dem Balkon.«

Nachdem Armando eine Weile an dem schlaffen Fleischgebirge gezerrt und gezogen hatte, das Bass Smallwood war, gelang es ihm, dem Texaner ein dumpfes Stöhnen zu entlocken. Smallwood schob den Oberkörper über den Bettrand und begann zu würgen. Dann verlor er das Gleichgewicht und rollte vollends aus dem Bett, wobei er Armando mit sich riss.

»Hilf mir hier raus, Felicia«, flehte Armando irgendwo unter Smallwood.



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