Die Tote im Dolder by Michael Moritz

Die Tote im Dolder by Michael Moritz

Autor:Michael Moritz
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783863582906
Herausgeber: emons Verlag
veröffentlicht: 2013-11-14T23:00:00+00:00


ZEHN

Stahl stieg aus dem Taxi und liess Fromm bezahlen. Er wollte an den Angestellten vorbei. Der Sicherheitsmann, der nun statt Stahl den Eingang des Hotels bewachte, hinderte ihn daran.

«Ich muss dich erst Hug melden. Tut mir leid», sagte er.

Stahl hatte seinen Namen vergessen. Oder besser: Er hatte ihn nie gewusst. Ein mit Eiweisspulver aufgepumpter Fleischberg, der gern über den Abschaum der Gesellschaft lästerte. Stahl war ihm einmal übers Maul gefahren, seither hatten sie kein Wort mehr miteinander gewechselt.

Fromm kam hinzu. «Gibt es irgendwelche Probleme, Herr Kainz?», fragte er und lächelte den Fleischberg an. Der sah irritiert zwischen Stahl und Fromm hin und her.

«Wir sind mittlerweile gute Freunde geworden. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich passe auf ihn auf. Er wird keinen Unsinn machen.»

«Wenn Sie das sagen. Ich muss es trotzdem meinem Vorgesetzten melden.»

«Natürlich.» Fromm sah überrascht auf den Boden und bückte sich.

«Nanu, was haben wir denn da? Haben Sie das verloren?» Fromm griff nach etwas, richtete sich auf und streckte Kainz die Hand hin. Eine Zweihunderternote. Kainz sah irritiert drauf, nahm sie und steckte sie schnell ein.

«Ihr Schuh ist offen», sagte Fromm.

Kainz sah an sich hinunter. Beide Schuhe waren ordentlich gebunden.

«Nein. Ich würde besser nachsehen. Vielleicht haben Sie noch eine Note verloren?» Fromm zwinkerte ihm zu. Kainz tat so, als würde er verstehen, und bückte sich, um sich den Schuh zu binden. Dabei hoffte er auf eine weitere Note.

«Gehen wir», sagte Fromm, und er fühlte sich in seinem Element.

Stahl folgte dem humpelnden Fromm in Richtung Lift. Die Manschette half. Dennoch war er langsam. Zu langsam, um die Strecke ungehindert bis zum Lift zurückzulegen. Schon stand Schwientek vor ihnen.

«Herr Fromm, wir dachten schon, Sie prellen die Zeche.»

«Seit wann muss ich hier zahlen? Mir gehört doch der Laden.»

Schwientek lächelte gezwungen, liess sich aber nicht abwimmeln. «Es geht nicht um Ihr Appartement. Ein Herr Reschke ist ohne zu zahlen abgereist. Es ist nur eine Nacht. Er war gestern Ihr Gast. Sie erinnern sich?»

«Ungern.»

Schwientek wusste mit der Antwort nichts anzufangen.

«Setzen Sie es mir auf die Gesamtrechnung.»

«Das geht nicht. Wegen der Buchhaltung. Das sind getrennte Bereiche, Sie verstehen.» Schwienteks Stimme bekam den Ton der Diskretion.

«Natürlich.» Fromm stieg sofort darauf ein und wollte mit Stahl weiter. Schwientek verstellte ihm dezent den Weg. «Wenn Sie das jetzt gleich angehen würden, wäre mir das angenehm. Dann wäre die Sache aus der Welt. Was getan ist, ist getan.»

Fromm verdrehte die Augen. «Manchmal gehen mir diese Schweizer ordentlich auf den Wecker.» Er drehte sich zu Stahl. «Machen Sie es sich gemütlich. Ich bin gleich wieder zurück.» Fromm humpelte hinter Schwientek zur Rezeption.

Stahl liess sich auf einen Sessel der Sitzgruppe fallen, von dem er Lift und Eingang im Blick behalten konnte. Ohne Fromm kam er nicht in das oberste Stockwerk. Stahl besass keine Magnetkarte in den Himmel des Dolder. Er sah zu Kainz hinüber und erinnerte sich daran, wie er bis gestern noch selbst dort gestanden hatte. Austauschbar. Funktionssoldat. Irgendjemand übernahm immer den Platz, den man räumte. So wichtig konnte keiner sein, dass er nicht zu ersetzen wäre. Und trotzdem liessen sie ihn nicht in Ruhe.



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