Die Spuren Der Toten by Hans Pfeiffer
Autor:Hans Pfeiffer [Pfeiffer, Hans]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 9783453137431
Amazon: 3453137434
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 1998-06-30T22:00:00+00:00
Ein zweifelhafter Freispruch
Viele Gerichtsprozesse, die zu ihrer Zeit zu Sensationsprozessen wurden, sind heute vergessen. Neue und immer gewalttätigere Verbrechen verdrängen die Erinnerung an vergangene. Trotzdem bieten auch diese immer noch interessante Einblicke in die gerichtsmedizinische und juristische Beweisführung, in deren Erfolge und Irrtümer und ihre wissenschaftsgeschichtlich bedingten Grenzen.
Ein Beispiel dafür ist der Hußmann-Prozeß, der trotz überzeugender gerichtsmedizinischer Beweise mit einem Freispruch des mutmaßlichen Mörders Hußmann endete.
Das Verbrechen spielte sich in einer Märznacht 1928 in Gladbeck ab.
Schulrektor Daube und seine Frau wurden morgens gegen halb vier aus dem Schlaf geschreckt. Draußen auf der Straße rief jemand um Hilfe. Die Eheleute lauschten. Die Rufe wiederholten sich noch mehrmals, wurden aber immer schwächer.
Daube verließ schließlich das Bett und trat ans Fenster. Im Schein einer entfernten Gaslaterne sah er eine Gestalt auf dem Fußweg vor dem Haus liegen. Eine zweite Gestalt erhob sich gerade aus ihrer gebückten Haltung und eilte davon.
»Was ist denn?« fragte Frau Daube schlaftrunken.
»Zwei Männer. Irgendein Streit. Einer liegt auf dem Bürgersteig. Wahrscheinlich betrunken.«
Daube ging wieder ins Bett.
»Ist denn Helmut schon zuhause?« fragte seine Frau.
»Ich glaube nicht. Habe ihn jedenfalls nicht heimkommen gehört.«
Daube und seine Frau schliefen bald wieder ein.
Anderthalb Stunden später - es war kurz nach fünf - erwachte der Rektor erneut. Der Schein einer Handlaterne huschte mehrmals über die Fensterscheiben. Von der Straße her kamen Geräusche und Stimmen. Daube trat wiederum ans Fenster und erblickte mehrere Männer, darunter zwei Polizisten. Die Gestalt lag noch immer auf dem Pflaster. Im Schein von Handlaternen erkannte Daube den Arzt Dr. Lichey, der nebenan wohnte.
Daubes Neugier war geweckt. Er ließ seine Frau weiterschlafen, kleidete sich an und ging hinaus auf die Straße. Er wandte sich an Dr. Lichey, der sich mit einem Herrn unterhielt.
»Was ist denn passiert, Doktor?« fragte Daube.
Lichey wies auf die reglose Gestalt. »Ein Mord.«
Daube trat näher und erschrak. Vor ihm lag ein Mann mit durchschnittener Kehle. »Um Himmelswillen«, sagte Daube, »ich bin vorhin aufgewacht und habe hinausgeschaut und einen Mann weglaufen sehen.«
»Haben Sie ihn denn erkannt?« fragte der Herr neben Lichey.
»Dazu war es zu dunkel.«
»Kriminalkommissar Detlefsen«, stellte sich der Frager vor. Und fügte hinzu: »Kennen Sie den Toten?«
»Nein«, erwiderte Daube. Er beugte sich über das blutverschmierte Gesicht. »Nein, bestimmt nicht«, wiederholte er. Er wollte sich schon dem schrecklichen Anblick entziehen, als sein Blick auf den Mantel des Toten fiel. Er bückte sich und nahm den Mantelsaum in die Hand.
»Mein Gott!« schrie Daube auf. Er richtete sich taumelnd auf. »Es ist unser Sohn! Helmut!«
»Helmut?« fragte Dr. Lichey bestürzt. »Ich habe ihn nicht erkannt.« Er blickte auf das entstellte blutige Gesicht. »Wie sollte ich auch.«
Kriminalkommissar Detlefsen erfuhr bruchstückhaft von dem völlig gebrochenen Vater, daß sein Sohn vor wenigen Tagen das Abitur abgelegt und gestern Abend mit einigen Freunden den Schulabschluß gefeiert hatte. Auch einige ›Alte Herren‹ hatten am Bierabend teilgenommen, unter ihnen ein Kollege von Dr. Lichey. Der Arzt erbot sich, den Kollegen anzurufen, ob er vielleicht irgendeinen sachdienlichen Hinweis über den Verlauf des Kommers geben könnte.
Dr. Lichey kehrte bald darauf zurück und berichtete, sein Kollege und zwei weitere Herren seien heute morgen mit Helmut Daube und dessen Freund Hußmann heimgekehrt.
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