Die schwarzseidene Dame by Klewe Sabine

Die schwarzseidene Dame by Klewe Sabine

Autor:Klewe, Sabine [Klewe, Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-04-27T16:00:00+00:00


Zwei Stunden später setzte sich ein seltsamer Zug von der Kreuzherrenkirche durch die Altestadt in Bewegung. Voran ging der Pfarrer von St. Lambertus, Adam Brewer, ihm folgten vier Tagelöhner, die einen schlichten Holzsarg trugen. Hinter dem Sarg marschierten der Konsistorialrat Bracht, seine Schreibkraft, Isolde Heinrich, der Kreisphysikus Dr. Servaes, der geheime Rat Franz Wilhelm Custodis, der Kanonikus Franciscus Kegeljan, der Subprior Schweitzer, der es sich nicht hatte nehmen lassen, ebenfalls teilzunehmen, sowie ganz am Schluss des Zuges der Tribunalrichter von Haupt Seite an Seite mit Kaplan Bernard Capelle. Schweigend liefen sie die wenigen Meter bis zum Stiftsplatz. Niemand begegnete ihnen, es war inzwischen fast neun Uhr abends. Einmal glaubte Isolde in der Einmündung zur Liefergasse eine schwarz gekleidete Gestalt zu sehen, doch als sie sich umdrehte, war die Erscheinung verschwunden. Isolde straffte die Schultern. Sie hatte sich vorgenommen, sowohl die merkwürdige, schwarz gekleidete Frau als auch Robert Weitering aus ihren Gedanken zu verbannen. Der Tag war so ereignisreich gewesen, dass es ihr auch beinahe gelungen war. Lediglich als sie bei Apotheker Kahler gewesen waren, und Fritz Corte sich so abweisend ihr gegenüber verhalten hatte, war ihr der Unterschied zwischen ihrem schlichten Verlobten Albert und dem weltgewandten, gebildeten Robert Weitering schmerzhaft bewusst geworden. Albert war eine treue Seele, doch solche Gespräche, wie sie mit Robert stattgefunden hatten, würde sie mit ihm nicht führen können. Was nützte es, sich darüber den Kopf zu zerbrechen? Für Robert war die vorübergehende Vertrautheit, die sich zwischen ihnen eingestellt hatte, offenbar Vergangenheit. Der Vergleich zwischen ihm und Albert war also in doppelter Hinsicht sinnlose Selbstquälerei.

Der Zug schritt durch das Kirchenportal und Isolde mahnte sich zur Besinnung. Sie war hier, um der Herzogin auf dem Weg zu ihrer letzten Ruhestätte Geleit zu geben, und beschäftigte sich doch nur mit ihren eigenen lächerlichen Sorgen.

Die vier Arbeiter setzten den Sarg mit den Gebeinen der Jakobe auf Anweisung Brewers vor dem Grabmahl ihres Schwiegervaters, des Herzogs Wilhelm, ab. Zum zweiten Mal an diesem Tag sprach der Pfarrer einen Segen über die sterblichen Überreste der Herzogin. Danach ließ er Kerzen entzünden und deckte den Sarg mit einem schwarzen Tuch ab. Einen Augenblick lang standen alle schweigend in dem dämmrigen Gotteshaus, dann beendete Bracht die Stille. Er bat die Arbeiter, sich am nächsten Tag wieder in der Kreuzherrenkirche einzufinden. Um sicherzugehen, dass sie die richtigen Gebeine gefunden hatten, wolle er auch noch den Rest des Chors durchsuchen lassen. Isolde solle jedoch ab sofort wieder an seinem Schreibtisch arbeiten. Dort stapelten sich inzwischen die Berichte und Schreiben, um die sich zu kümmern sei.

Die Gesellschaft zerstreute sich, Isolde machte sich auf den Heimweg, ohne vorher beim Schlossturm vorbeizugehen. Sollte die schwarz gekleidete Dame doch jemand anderen mit ihren Geschichten unterhalten. Sie musste auf dem schnellsten Weg nach Hause, die Mutter erwartete sie sicherlich schon ungeduldig.

Es war nach halb zehn, als Isolde an der Ecke zur Deichstraße ankam und durch die Toreinfahrt schritt. Verwundert stellte sie fest, dass in der Küche Licht brannte. Rasch trat sie ein und entdeckte zu ihrer Überraschung Clara, die mit dem Abwasch beschäftigt war.



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