Die Narbe by Frank Schmitter

Die Narbe by Frank Schmitter

Autor:Frank Schmitter [Schmitter, Frank]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783442743407
Herausgeber: btb Taschenbuch
veröffentlicht: 2011-12-01T23:00:00+00:00


9

Gerald wartete bereits seit zehn Minuten in der Ebersberger Straße und lief vor dem Hauseingang auf und ab. Er hatte die U-Bahn und dann den Bus genommen, weil Batzko mit dem Dienstwagen kommen würde. Aber Batzko verspätete sich; wahrscheinlich sorgte er noch in der Dienstbesprechung für Karrierepunkte.

Gerald beschloss, einen Blick in den Garten zu werfen. Er ging weiter um das Haus herum als beim ersten Mal und sah nun, nahe an der Terrasse, die mit weißen Marmorplatten ausgelegt war, eine Kinderschaukel, daneben ein großer rechteckiger Sandkasten. Die bunten, vom Sand halb verdeckten Formen, wirkten wie die Funde von Ausgrabungen.

Beim Swimmingpool konnte Gerald keinerlei bauliche Fortschritte feststellen. Die Innenverkachelung schien nicht weiter fortgeführt zu sein; um den Rand herum standen an derselben Stelle wie in der Woche zuvor die Zementmischmaschine und weitere Gerätschaften. Besonders die Schaufel, deren Ende in der Mischmaschine steckte wie ein Löffelstiel in einem Eisbecher, war Gerald im Gedächtnis geblieben.

Als er zum Vordereingang zurückkehrte, stieg Batzko gerade aus dem Dienstwagen, den er auf der gegenüberliegenden Seite geparkt hatte, und blinzelte in den Himmel. Die Wolken vom Vorabend hatten sich verzogen, die Sonne brannte bereits zu dieser Uhrzeit. Batzko trug ein orangefarbenes Hemd mit kurzen Ärmeln, perfekt abgestimmt auf seine Sonnenstudiobräune. Bevor er die Straße überquerte, griff er in die Hemdtasche, schaute nach links und rechts, zog eine verspiegelte Sonnenbrille hervor, setzte sie auf, ging über die Straße, durch den Vorgarten zur Eingangstür, wo Gerald bereits wartete, und nahm die Brille schließlich wieder ab.

Gerald klingelte. Es war Dr. Chateaux selbst, der nach nur wenigen Sekunden die Tür öffnete. Gerald trat zur Seite, um Batzko – den er nicht auf das Aussehen des Psychotherapeuten vorbereitet hatte, die volle Breitseite des Anblicks zu gewähren: zwei von simplen Haushaltsgummis gehaltene Zöpfe, der sauber gestutzte Bart, ein hellrotes Seidenhemd, die bunte Patchwork-Strickjacke, eine beige Leinenhose und abgetragene, graue Hausschlappen. Jedes Einzelteil passte nur zu sich selbst, nichts passte zusammen.

»Herr van Loren? Was machen Sie denn hier? Und wer ist …« Dr. Chateaux blickte Gerald und Batzko verdutzt an. Batzko ergriff sofort die Initiative.

»Darf ich vorstellen? Kriminalkommissar Gerald von Loren. Ich bin Kriminalhauptkommissar Batzko. Wir ermitteln in einem Mordfall und müssen uns mit Ihnen unterhalten.« Dr. Chateaux schaute Gerald verunsichert an, als hoffte er, dass sich alles nur als ein großes Missverständnis herausstellen würde. »Wir können in mein Büro gehen«, sagte er schließlich, senkte den Kopf und ging voraus. Es war nichts mehr geblieben von der ironischen Souveränität, die Chateaux normalerweise ausstrahlte.

»Was hat das zu bedeuten, Herr van Loren? Soll ich daraus schließen, dass Sie nicht als Privatperson zu mir kamen, sondern undercover in einer Gruppentherapie ermittelten? Ist einer meiner Patienten in einen Mord verwickelt? Ist etwas anderes passiert?«, sagte Chateaux, der mittlerweile Platz genommen hatte. Unwillkürlich schaute Gerald auf die Kinderzeichnungen über seinem Kopf.

»Bewahren Sie bitte Ruhe. Tatsächlich bin ich in Ihre Gruppentherapie gegangen, weil der Tod von Alexander Faden uns noch gewisse Rätsel aufgibt.«

»Rätsel? Welche Rätsel? Warten Sie, ich erinnere mich jetzt. Ich hatte mit Ihnen telefoniert, nicht wahr«, sagte Chateaux in einer ungewohnten Schärfe, den Blick auf Batzko gerichtet.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.