Die Nachtwachen des Bonaventura by Klingemann August

Die Nachtwachen des Bonaventura by Klingemann August

Autor:Klingemann, August
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00


Neunte Nachtwache

Es freut mich daß ich in den vielen Dornen meines Lebens doch wenigstens Eine blühende volle Rose fand; sie war zwar so von den Stacheln umschlungen, daß ich sie nur mit blutiger Hand und entblättert hervorziehen konnte; doch aber pflükte ich sie, und ihr sterbender Duft that mir wohl. Diesen einen Wonnemonat unter den übrigen Winter- und Herbstmonden verlebte ich – im Tollhause. –

Die Menschheit organisirt sich gerade nach Art einer Zwiebel, und schiebt immer eine Hülse in die andere bis zur kleinsten, worin der Mensch selbst denn ganz winzig stekt. So baut sie in den großen Himmelstempel an dessen Kuppel die Welten als wunderheilige Hieroglyphen schweben, kleinere Tempel mit kleinern Kuppeln und nachgeäfften Sternen, und in diese wieder noch kleinere Kapellen und Tabernakel, bis sie zulezt das Allerheiligste ganz en miniature wie in einen Ring eingefaßt hat, da es doch ringsum groß und mächtig um Berge und Wälder schwebt, und in der glänzenden Hostie, der Sonne, am Himmel emporgehoben wird, daß die Völker davor niederfallen. In die allgemeine Weltreligion, die die Natur mit tausend Schriftzeichen geoffenbart hat, schachtelt sie wieder kleinere Volks- und Stammreligionen für Juden, Heiden, Türken und Christen; ja die leztern haben auch daran nicht genug, sondern schachteln sich noch von neuem ein. – Eben so ist es mit dem allgemeinen Irrhause, aus dessen Fenstern so viele Köpfe schauen, theils mit partiellem, theils mit totalem Wahnsinne; auch in dieses sind noch kleinere Tollhäuser für besondere Narren hineingebaut. In eins von diesen kleinern brachten sie mich jezt aus dem großen, vermuthlich weil sie dieses für zu stark besezt hielten. Ich fand es indeß hier gerade wie dort; ja fast noch besser, weil die fixe Idee der mit mir eingesperrten Narren meistens eine angenehme war.

Ich kann meine Mitnarren nicht besser darstellen, als wenn ich gerade den Augenblick wähle wo ich sie dem besuchenden Arzte vorführen mußte, was dann und wann geschah, weil mich der Aufseher des Instituts meiner unschädlichen Narrheit halber zum Vize-und Unteraufseher ernannt hatte. Ich that es das leztemal unter folgender Rede:

»Herr Doktor Öhlmann, oder Olearius – wie Sie denn ihren Namen vor Dissertationen und Programmen, durch eine todte Sprache in die Unsterblichkeit übersetzen – wir laboriren zwar alle mehr oder minder an fixen Ideen; nicht nur einzelne Individuen, sondern ganze Gemeinheiten und Fakultäten, von denen z.B. viele der lezteren neben dem Vertriebe der Weisheit auch einem bloßen Huthhandel obliegen, wodurch sie sogar nicht weise Häupter, bloß vermöge des leichten Aufdrückens eines solchen Huthes aus ihrer Fabrik in weise umzusetzen glauben; ja ihn oft selbst auf einen bloßen Rumpf schlagen und so scheinbar Philosophen bilden, weil die Gesichter der lezteren vor übergroßem Spekuliren sich ohnedies gewöhnlich tief unter die Huthkrempe zu verkriechen pflegen. – Ich habe der vielen Beispiele halber, die sich hier meinem Gedächtnisse aufdrängen, den Faden des Perioden verlohren, und reiße ihn lieber ganz ab, um von neuem anzuheben.«

Öhlmann schüttelte hier seinen Doktorhut, wie wenn er daran zweifelte, daß man dem meinigen eine Doublette von diesem erhandelten Exemplare jemals verabfolgen lassen würde.

»Sie schütteln, fuhr



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