Die Nacht ist Leben: Autobiographie (German Edition) by Sven Marquardt

Die Nacht ist Leben: Autobiographie (German Edition) by Sven Marquardt

Autor:Sven Marquardt [Marquardt, Sven]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Autobiographie
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2015-01-21T05:00:00+00:00


Zweimal Sibylle

Dass ich von 1987 bis 1989 für die Frauenzeitschrift Sibylle arbeiten kann, habe ich der Vermittlung einer Frau namens Sibylle zu verdanken – Sibylle Bergemann, der großen Ostkreuz-Fotografin. Zu dieser Zeit bin ich auch mit ihrer Tochter Frieda befreundet, auch sie wohnt im Prenzlauer Berg. Frieda entwirft Strickklamotten, die sie an einer Maschine in ihrer kleinen Küche selbst fabriziert und an Privatpersonen, Freunde oder in einer Boutique in der Boxhagener Straße in Friedrichshain verkauft.

Fast alle renommierten DDR-Fotografen verewigen sich in der Sibylle – Ute und Werner Mahler, Roger Melis, früher auch Arno Fischer. Viele sind untereinander befreundet und gehen kurz nach der Wende in der Fotografen-Agentur »Ostkreuz« auf. Man trifft sich bei den Eheleuten Sibylle Bergemann und Arno Fischer in deren legendärer Wohnung am Schiffbauerdamm, nahe dem Bahnhof Friedrichstraße. Dort entsteht über die Jahre eine Art Gesprächssalon, in dem es auch international zugeht und Leute wie Henri Cartier-Bresson, Robert Frank oder Helmut Newton auflaufen.

Tragischerweise verlieren Arno und Sibylle 2004, nach achtundzwanzig langen Jahren, ihre zweihundert Quadratmeter große Heimat an einen Luxussanierer, und viele Freunde und Sibylle selbst machen diesen Umstand für die baldige Krebserkrankung verantwortlich, an der sie 2010 schließlich stirbt.

Wer sich bei Sibylle Bergemann trifft, redet auch über Alltagsdinge, auch die Kinder sind Thema. Und da mich Helga Paris sehr gut kennt, fällt auch mein Name auf einem dieser Treffen. Sibylle Bergemann zeigt von Anfang an Interesse an mir und meinen Arbeiten. So oft sehen wir uns gar nicht im Leben, sie ist eher so eine Art stille Gönnerin, die sich im Hintergrund hält. Es ist Zufall, dass sie den gleichen Namen trägt wie die Modezeitschrift, in der sie selbst so etwas wie ein Star ist. Ich mag ihre melancholischen Fotos, und ich mag ihre scheue Art. In der Redaktion geht sie ein und aus, darf sogar nach Paris zu den Schauen fahren und kann pro Heft mindestens zwei Strecken aufweisen.

Dass die Sibylle auch heute noch ein gutes Standing hat, selbst in westlichen Redaktionen, lag vor allem an ihrer ungewöhnlichen Art, Frauen und Mode darzustellen – jedenfalls für den Osten. Das hatte nichts Tristes, nichts sozialistisch Verklemmtes. Das Markenzeichen der Zeitschrift war ein starkes Frauenbild, selbst die Models hatten Persönlichkeit. Natürlich hatten sie auch Modelmaße. Aber sie waren nicht erst vierzehn und trugen Kleidergröße null. Große Ausnahme: Mit dieser Zeitschrift waren die DDR dem Westen weit voraus.

Leider muss sich damals die Redaktion von den staatlichen Behörden immer wieder ideologische Oberflächlichkeit vorwerfen und sich von den DDR-Bürgerinnen fragen lassen, wo es all die lässigen und schicken Kleider, Blusen und Hosen zu kaufen gibt. Viele stammen natürlich auch aus den Exquisit-Geschäften. Der Anspruch der Sibylle ist es wohl eher, Anregungen zu geben, denn die modebewusste Frau in der DDR näht sich ihre Sachen gern auch selbst.

Aufmerksam werde ich selbst erst auf diese Zeitschrift, als ich Robert kennenlerne und durch ihn den ganzen Mode-Underground im Prenzlauer Berg. Die Zeitschrift ist am Kiosk binnen Minuten vergriffen, aber wir ergattern meist eine.

Sibylle Bergemann fädelt es ein, dass ich von der Redaktion einen Auftrag bekomme.



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