Die letzte Rolle by Madeleine Giese

Die letzte Rolle by Madeleine Giese

Autor:Madeleine Giese [Madeleine Giese]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955300630
Herausgeber: Edel:eBooks
veröffentlicht: 2015-05-22T16:00:00+00:00


• 14 •

«Hey, Sie haben ja einen Schatten.»

Verdutzt blieb Prottengeier stehen. Less ging in die Knie und zirpte: «Na komm, Kleiner. Komm zum Onkel.»

«Falstaff. Lästiges Vieh», meinte von Koch und musterte den Kater ungnädig.

«Falstaff heißt du? Na, das passt. Du bist also ein Theaterkater, was?»

Falstaff ignorierte sowohl den flötenden Less als auch den unwirschen von Koch. Ihn interessierte einzig Prottengeier. Gurrend wie ein Täubchen rieb er sich an seinem Bein.

Peinlich berührt sah der zu dem Kater hinunter. Was wollte das Vieh bloß von ihm? Er hatte gar nicht gemerkt, dass er hinter ihnen hergelaufen war.

«Den Falstaff hast du doch auch schon gespielt, Heribert», wandte Less sich an von Koch. «... wenn Sekt und Zucker ein Fehler ist, so helfe Gott den Lasterhaften. Wenn alt und lustig sein eine Sünde ist, so muss mancher Schankwirt verdammt werden. Wenn ... Wie geht’s weiter?»

Statt einer Antwort wandte von Koch sich ab und zeigte zu der Reihe von Backsteingebäuden: «Ehemalige Stallungen. Getreidespeicher, Mehlkammern.»

Less sah ihn verwundert an. Mit einer ausholenden Handbewegung umfasste von Koch den ganzen Komplex: «War alles mal ein Gehöft. Wäre es besser auch geblieben.»

Mit einem Achselzucken ging Less wieder zu dem Alten.

Die Führung durch das Gelände hatte Prottengeier sich anders vorgestellt. Vor ihm begannen die beiden Schauspieler sofort wieder irgendwelche Fachsimpeleien. Fetzenweise hörte er: «Richard der Vierte ... großartige Darstellung ... gewagtes Bühnenbild ...»

Less trug ganz schön dick auf. Aber der Alte schien es zu schlucken.

«Falstaff ... Shakespeares komödiantische Dichtung ...»

Schon wieder Shakespeare. Der verfolgte ihn. Genau wie dieser Kater.

Verstohlen warf er einen Blick zurück. Das Vieh verfolgte ihn tatsächlich. Versuchsweise blieb er stehen. Der Kater stoppte. Er ging weiter. Der Kater auch.

Entnervt zischte Prottengeier über die Schulter: «Verschwinde.» Der Kater maunzte erfreut.

Er mochte Katzen nicht. Immer nur ihren eigenen Wegen folgend. Da waren seine Fische freundlicher. Schwammen sofort an die Scheibe des Aquariums, wenn er nach Hause kam.

Sentimentales Gewäsch. Vielleicht schwammen sie da auch in seiner Abwesenheit rum. Alles Einbildung, diese Kontaktaufnahme zwischen Mensch und Tier. Wahrscheinlich waren Menschen nur störende Pünktchen an der Peripherie der Tiere. Gerade mal zur Kenntnis genommen, wenn es um Futter ging. Mit fatalistischem Gleichmut geduldet. Wie Unkraut.

Besonders pingelig schien dieser Hausmeister nicht zu sein. Zumindest nicht, was das Unkraut an den Nebengebäuden betraf. Hüfthoch wiegten sich Disteln und Brennnesseln im Schatten der Häuser. Zusammen mit den von schweren Brettern vernagelten Fenstern wirkte die Häuserreihe verloren und ungastlich. Der Hof an der Rückseite des Heimes war mit sorgsam geharktem Kies bedeckt. Hier dagegen breiteten sich große, kahle Stellen staubiger Erde aus.

Weitläufiges Gelände. Wahrscheinlich waren die umliegenden Wiesen und Felder früher Bestandteil des Gehöfts. Wohlhabende Bauern. Bis diese Industriellenfamilie kam, das Gelände kaufte und das Haus errichtete.

Die Rückseite war nicht ganz so verbaut wie die Front. In den Proportionen noch nicht einmal schlecht.

Vor ihm blieb Less stehen und atmete tief ein. «Ein friedlicher Ort zum Wohnen.»

Von Koch nickte spöttisch. «In letzter Zeit finden viele hier ihren ewigen Frieden. Zu viele für meinen Geschmack.»

«Was meinen Sie damit?», mischte Prottengeier sich ein.

Der alte Schauspieler schien jetzt erst richtig wahrzunehmen, dass der Kommissar die ganze Zeit hinter ihnen hertrabte.



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