Die letzte Farbe des Todes by Reinartz Philipp

Die letzte Farbe des Todes by Reinartz Philipp

Autor:Reinartz, Philipp
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: d-Goldmann TB
veröffentlicht: 2017-01-16T16:00:00+00:00


37

Balkon

Drei Universitätsabschlüsse, eine abgebrochene Lehre. Drei Häuser mit Gärten, eine Platte mit defektem Aufzug. Drei strahlende Gesichter, eine tiefe Backenfurche. Dreimal Spitze der Nahrungskette, einmal Goldkettchen. Dreimal meinte es das Leben gut, einmal schlug es zu. Und er schlug zurück. Boris Mannsen wirkte in der Gruppe der Opfer wie die zu offensichtliche Antwort einer Was-passt-nicht-in-die-Reihe-Frage beim Intelligenztest.

Jay stand am Geländer des schweren Balkons und starrte in die Nacht. Selbst zu dieser Zeit war es nicht ruhig, die Nachbarschaft schon, klar, in dieser Gegend, doch aus der Ferne hörte man das undefinierbare Großstadtrauschen aus Hupen, Lachen, Musik. Ihm ging das leere Gesicht nicht aus dem Kopf, das tote, harte, nasse, leere Gesicht Mannsens. Nicht das auf dem Polizeifoto, das gemacht wurde, nachdem sie ihn aus der Badewanne gezogen hatten. Dort verwunderte es ihn nicht. Ihn verwunderte es auf den anderen Fotos, den früheren. Denn da sah Mannsen schon fast genauso aus. Tot, hart, nass und leer. Und es gab einige frühere Fotos. Mannsen war mehrfach vorbestraft gewesen, ein Dutzend Mal festgenommen worden, hatte seit den Achtzigern immer wieder vor Gericht gestanden. Anwaltliche Vertretung: Klausing & Partner, Wirtschaftsrecht, Steuerrecht, Strafrecht. Er hörte die schwere Eingangstür der Kanzlei und sah nach unten.

»Sonya.« Sie blickte hoch.

»Hey.«

»Gehst du?«

»Es ist fast zwei. Aber die anderen machen noch weiter.«

Sie hatten sofort Martha Bescheid gegeben, und fast das komplette Einsatzteam war in die Kanzlei gekommen, ging alle Mandanten durch, warnte potenzielle Zielpersonen, und das waren viele. Plötzlich drehte sich nicht mehr alles um das Hotel, Mannsen schien keinerlei Verbindung zu Pohl und Pfaffinger zu haben, die Gemeinsamkeit der Morde lag exakt hier, in der Kanzlei, von deren Balkon Jay gerade auf seine Exfreundin herabsah, aus einer Distanz, die ihn das Unvermeidliche zumindest etwas leichter aussprechen ließ.

»Danke.«

»Wofür?«

»Du hast uns geholfen. Mir geholfen. Das … Ich hätte das so schnell nicht herausgefunden.«

»Wie gesagt, wir müssen einfach beide unseren Job machen.«

Sie wollte kein Lob, schien seinen Dank nicht zu brauchen. Er war es, der die Eliteausbildung gemacht hatte, auch wenn sie es so nicht nannten. Ihn hatten sie zum Vollprofi hochgezogen. Doch der Vollprofi war sie, rational, Persönliches ausblendend. Während er sich mit der Tochter eines Mordopfers zum Frühstücken traf.

»Hast du schon eine Idee?«, fragte sie, den Autoschlüssel in der Hand.

Genau deswegen saß er alleine auf dem Balkon. Nachdenken. Spinnen. Einiges sprach für Marthas These. Organisierte Kriminalität. Und damit auch für Sonyas. Ein Krimineller stirbt und kurz darauf sein Anwalt. Das konnten Clans sein, Bandenverstrickungen. Wenig später zwei andere Mandanten, das Führungsduo eines Hotels. Das war schon schwieriger. Klausing war ein diffuser Mittelpunkt, eine hellblaue Sonne, um die drei Planeten kreisten, lila, orange, dunkelblau, und niemand wusste, warum.

»Nein, überhaupt nicht.« Für einen Moment herrschte Stille, nur die Großstadt plauderte in der Ferne unbekümmert weiter. Sonya sagte nichts, verabschiedete sich nicht, ging nicht weg, blickte immer noch hoch zu Jay, auf den Balkon mit den Säulen. »Das macht mich fertig. Ich denke die ganze Zeit, dass ich etwas übersehe. Irgendeine Verbindung muss es geben. Zwischen Pohl und Pfaffinger, zwischen denen und dem Anwalt, und auch zu Mannsen.



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