Die Lava by Magin Ulrich

Die Lava by Magin Ulrich

Autor:Magin, Ulrich [Magin, Ulrich]
Die sprache: deu
Format: epub, azw3, mobi
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 2013-11-30T16:00:00+00:00


3

Franziska betrat die Polizeidienststelle, ignorierte die im Korridor wartende Schlange und rief dem Beamten hinter der Theke gleich laut zu: »Ich möchte eine Vermisstenanzeige aufgeben!«

»Ja, gern. Aber bitte einer nach dem anderen«, meinte der Polizist gelassen, »da sind noch welche vor Ihnen an der Reihe!«

Also wartete Franziska fast eine Viertelstunde, bis ein Polizist sie in sein Büro führte. Links von ihr stand eine Regalwand mit Aktenordnern, vor ihr, hinter einem Holzschreibtisch, nahm der Polizist Platz, ein älterer Mann, der vermutlich die Tage bis zur Pensionierung zählte, er setzte sich vor der Tastatur des Computers; hinter ihm gab ein Fenster mit ein paar Blumentöpfen den Blick auf ein Stück blauen Himmel frei.

Franziska begann gleich von Joe, ihrer Verabredung, sich zu melden, und seinem Verschwinden loszureden.

Abwehrend hielt der Beamte die Hände hoch. »Bitte eins nach dem anderen, junge Frau!« Er rückte die Tastatur zurecht und suchte offenbar auf seinem Bildschirm das passende Formular.

»Ich sehe ja«, sagte er dann sehr ruhig, »dass Sie sich große Sorgen machen. Aber wenn Sie jetzt eine Vermisstenanzeige aufgeben wollen, müssen wir erst die wichtigen Dinge erfassen.«

Franziska nickte stumm.

»Also, wer wird vermisst?«

»Der Name ist Joe Hutter. Mit U, es ist ein englischer Name … also ein schottischer, aber …«

»H – U – T – T – E – R«, buchstabierte der Polizist laut mit, während er den Namen eingab.

»Haben Sie die Adresse von Herrn Hutter?«

Franziska sah ihn ausdruckslos an.

»Wo wohnt der Mann?«, ergänzte der Polizist seine Frage, als habe ihn Franziska nicht verstanden.

»Ich … ich weiß es nicht«, musste sie zugeben.

»Und – wo arbeitet er?«

»Bei einer Art Versicherung. Ähm, er ist so etwas wie ein Geologe, ein …« Sie überlegte: »… ein risk assessment officer.«

»Mehr wissen Sie nicht?«

Eigentlich wusste Franziska gar nichts über Hutter.

»Haben Sie ein Foto von dem Mann?«

Franziska schüttelte den Kopf.

»Sind Sie sich sicher, dass er Ihnen geschrieben hätte?«

Franziska nickte. Dann fiel ihr ein, wie unberechenbar Joe sich gezeigt hatte: Er hatte ihr den Rücken zugekehrt und telefoniert, aber er hatte auch Geschenke für Clara mitgebracht und sich für sie interessiert. Sie dachte an die SMS, die sie von ihm erhalten hatte, und wusste plötzlich ganz genau, dass er sich auf jeden Fall wie vereinbart gemeldet hätte. Also konnte er nicht. Also war etwas geschehen. Also musste man ihn suchen.

»Ja«, sagte sie mit fester Stimme, voller Überzeugung, weil sie sich tatsächlich sicher war. »Ja, natürlich hätte er sich gemeldet.«

Ein jüngerer Beamter kam mit einem Stapel Aktenordner unter dem Arm herein, die er geräuschvoll auf einem kleinen Beistelltisch deponierte. »Wo sollen wir denn nach ihm suchen, wenn Sie nicht wissen, wo der Vermisste wohnt, was er tut und wie er aussieht?«, fragte er. Er hatte anscheinend einiges mitgehört.

Sie zuckte mit den Schultern und blickte den älteren Polizisten mit etwas ausdrucksleeren Augen an. Ja, sie war hilflos, besaß nicht die leiseste Ahnung, was zu tun war. Sie wusste nur, dass man etwas tun musste.

»Es soll auch schon mal vorgekommen sein«, meinte der junge Polizist grinsend, »dass sich ein Mann bei einer Frau nicht mehr gemeldet hat, obwohl er das versprochen hatte.



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