Die Königsdame. Historischer Roman by Sabine Weigand
Autor:Sabine Weigand [Weigand, Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783104000800
Herausgeber: Fischer e-books
veröffentlicht: 2011-09-29T16:00:00+00:00
Vier Tage später hatte Worowski die Einladung zur Audienz.
Dresden, Januar 1709
Fatmah spießte eine große Zibebe auf die Spitze eines Holzstäbchens und tauchte die getrocknete Frucht in ein Schüsselchen mit dickem, safrangelbem Teig, bis sie ganz umhüllt war. Dann drehte sie die Leckerei über dem glimmenden Kohlebecken, bis die Teighülle goldbraun und knusprig war. Sie hielt dem König das duftende Spießchen hin.
»Das habe ich von meiner Mutter gelernt«, erzählte sie. »Es heißt ›die Tränen des Padischah‹.«
August sperrte den Mund weit auf, nahm die gebackene Zibebe vorsichtig mit den Zähnen vom Spieß und kaute genießerisch.
»Es sollte ›Freudentränen‹ heißen«, meinte er. »Himmlisch.«
Sie lachte und schenkte Kaffee nach. Draußen war es bitterkalt, aber hier im kleinen grünen Salon hatten sie es gemütlich. Der große Kachelofen in der Ecke strahlte eine angenehme Wärme aus, dicke Teppiche lagen auf dem Parkettboden, und auf den Sesseln und Sofas hatte man flauschige Decken bereitgelegt.
August zog Fatmah an sich und legte ihr die Hand auf den Bauch, der inzwischen deutlich zu sehen war. »Wie lange noch?«
Sie lächelte. »Bis zum Sommer, Sire.« Es war Fatmahs größtes Glück, dass der König der Geburt ihres gemeinsamen Kindes wenn nicht mit übermäßiger Freude, so doch mit Wohlwollen entgegensah.
August überlegte einen Moment lang. »Im Sommer werde ich aller Voraussicht nach nicht mehr hier sein, Mademoiselle.«
»Aber wo wollen Sie denn hin, Majestät?« Fatmah war überrascht. Erst kürzlich hatte der König beschlossen, sich in diesem Jahr keiner Kur zu unterziehen.
Der König schlürfte ein Schlückchen heißen Mokka. »Nach Polen. Mit dreißigtausend Mann.«
Fatmah verschluckte sich fast an ihrem Kaffee. »Krieg? Gegen wen denn?«
August grinste. »Nun, gegen Karl von Schweden natürlich.«
Sie begriff nicht. »Aber der Friedensvertrag von Altranstädt, Majestät! Sie haben ihn unterschrieben!«
»Das mag sein«, versetzte August, »doch es gibt Situationen, da bleibt einem gar nichts anderes übrig, als Verträge zu brechen. Karl steht irgendwo in Russland, mit einer Armee, die jetzt schon furchtbar durch die Kälte dezimiert ist. Der Tross wurde in Polen abgefangen und erobert. Das heißt, sie haben seit längerem keinen Nachschub an Lebensmitteln mehr. Der Schwede steht vor der Niederlage seines Lebens. Wenn ich jetzt nicht an der Seite Russlands und Dänemarks zuschlagen würde, wäre ich ein Schwachkopf. Wenn alles gut geht, sitzt im Sommer die polnische Krone wieder auf meinem Kopf, und zwar für immer!«
»Sie brechen den Vertrag!« Fatmah schüttelte den Kopf. »Das ist nicht ehrenhaft.«
August runzelte die Stirn. »Hüte deine Zunge, Fatima. Du verstehst nichts von solchen Dingen, schließlich bist du eine Frau.«
Fatmah senkte den Kopf. »Verzeihung, Sire, ich wollte mich nicht einmischen.«
Der König streichelte ihr die Wange. »Du musst dir keine Sorgen machen, meine Liebe. Es wird alles gut werden.«
In diesem Augenblick ging die Tür auf, und die Gräfin Cosel kam ins Zimmer, die kleine Augusta auf dem Arm. Ihre Miene gefror, als sie August und Fatmah zusammen auf dem Sofa sah.
»Störe ich etwa?« Sie starrte Fatmah, die gelassen sitzen blieb, an.
August stand auf. »Natürlich nicht, ma chère. Kommen Sie und trinken Sie ein Köppchen Mokka mit uns.«
Die Cosel wehrte ab. »Ich wollte Majestät nur zeigen, wie die Kleine lacht, und mich verabschieden.
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