Die Diplomatin by Lucy Fricke

Die Diplomatin by Lucy Fricke

Autor:Lucy Fricke [Fricke, Lucy]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Ullstein eBooks
veröffentlicht: 2022-03-08T23:00:00+00:00


14

Dieses Mal hatten sie sich keine Mühe gegeben. Die Tür zur Wohnung war eingetreten, da hätte David sich das neue Schloss auch sparen können, und es tat mir leid, ihm einen so naiven Rat gegeben zu haben. Die Schubladen waren aufgerissen, die Schränke ausgeräumt. Auf seinem Schreibtisch herrschte nichts als Leere, kein Computer, keine Notizen, keine Aufnahmegeräte oder Festplatten, absolut nichts mehr.

»Willst du ein Bier?«, fragte David, der es offensichtlich nötig hatte. Er holte zwei Flaschen aus dem Kühlschrank, riss die Deckel ab und nahm einen tiefen Schluck.

»Hast du jemandem Bescheid gesagt?«

»Der Polizei, meinst du?«

»Die wissen es wahrscheinlich längst.«

David tat, als würde er nachdenken, und mir wurde klar, dass er das wirklich tat. Er dachte darüber nach, was er mir erzählen sollte und wie. Er fragte sich erst jetzt, nachdem er mich in einem Anfall von Panik hierhergeholt hatte, ob er mir vertrauen konnte. Bei unserer letzten Begegnung waren wir nahezu nackt gewesen, ungeschützt, und Menschen, die über das nötige Vertrauen erst nachdachten, nachdem sie einander ausgezogen hatten, waren mir seit jeher suspekt. Was allerdings auch hieß, dass ich mir selbst verdächtig war. Er traute mir nicht, weil ich selbst es nicht tat. Weil es zu unseren Jobs gehörte, vorsichtig zu sein, so vorsichtig, dass manche nicht einmal ihrem eigenen Partner trauten. Oder die Regeln uns verboten, dem Partner zu vertrauen.

»Nur Jürgen«, sagte er leise, beinahe flüsternd.

»Welcher Jürgen?«

»Ihm gehört die Wohnung.«

»Aber es ist dein Material.«

»Nicht ganz«, sagte David. »Wir arbeiten zusammen daran.«

»An was?«

Er gab mir eine Flasche Bier und ging hinaus auf die Dachterrasse. Sein großer, schwerer Körper wirkte nervös. Dieser Körper, der aussah, als könnte man bei ihm Schutz finden vor der Welt, schien zu zittern. David strich sich durch sein dunkles, für sein Alter überraschend volles Haar, bevor er draußen Musik anschaltete, die Lautstärke hochdrehte und sich an die Brüstung lehnte, als wollte er die Aussicht genießen. Wenn man erst einmal wusste, dass man verfolgt wurde, galt ein solches Verhalten nicht mehr als paranoid, sondern als pragmatisch. Mit der Flasche in der Hand folgte ich ihm, auf dem Weg warf ich die Handtasche mit meinem Handy darin aufs Sofa. Zwei verlorene Pragmatiker in der Nachmittagssonne. Es hätte ein hübsches Bild sein können.

Er brannte sich ein Zigarillo an und hielt mir die Schachtel hin.

»Heute nicht«, sagte ich und wartete ab, bis er die ersten Züge genommen hatte, die Anspannung ausgeatmet. Reden wollte er offenbar immer noch nicht. Schweigend blickte ich mich auf der Terrasse um, die voller Blumentöpfe und Kräuterkästen stand, nicht ein einzelner Zweig vertrocknet, kein einziges welkes Blatt. Er war offensichtlich ein Mann, der seinen Pflichten nachkam.

»Hast du Familie, David?«

Er drehte sich zu mir um.

»Das ist das erste Mal, dass du mich das fragst.«

»Ja, ich fürchte, ich habe den richtigen Moment verpasst.«

»Und jetzt, nehme ich an, ist es keine private Frage mehr.«

»Richtig, jetzt muss ich alles wissen.«

»Ex-Frau, zwei Kinder. Studieren beide schon«, antwortete David. »Vor drei Jahren bin ich noch mal Vater geworden, ein kleiner Junge.«

»Und die Mutter?«

»Wünscht sich ein zweites. Sie ist noch jung. Kannst du dir ja denken.



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