Die bezifferte Welt by Crouch Colin

Die bezifferte Welt by Crouch Colin

Autor:Crouch, Colin [Crouch, Colin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Suhrkamp Verlag
veröffentlicht: 2015-09-05T16:00:00+00:00


Wenn zu den key selling points eines Faches gehört, daß es bessere Berufsaussichten eröffnet, können die erhobenen Gebühren als Indikator für das Maß dienen, in dem es dieses Versprechen erfüllt – Studierende werden die höheren Gebühren nur dann bezahlen, wenn dies nachweislich zu einem höheren Einkommen führt. (Ebda., S. 31)

Wenn wir einmal annehmen, daß höhere Studiengebühren am ehesten von Studenten aus wohlhabenden Familien aufgebracht werden können, die sie ohne Kreditaufnahme entrichten oder zumindest bei der Rückzahlung auf Unterstützung hoffen können, dann erscheint es wahrscheinlich, daß Universitäten, die hohe Studiengebühren verlangen, wohl eher Studierende aus wohlhabenden Kreisen anziehen werden – welche ja auch die sind, die mit der höchsten Wahrscheinlichkeit rasch zu einem hohen Einkommen zu gelangen versprechen.

Dieses Beispiel führt uns zwei zentrale Elemente des neoliberalen Angriffs auf die Wissenschaft vor Augen. Erstens wird hier en passant der Anspruch von Bildungsexperten untergraben, besser als Politiker, Konzernchefs und die von beiden Gruppen »geschubsten« Schulabgänger zu wissen, welche inhaltliche Ausrichtung ein Bildungsangebot haben sollte. Zweitens wird das Wissen selbst neu definiert: Wertvoll ist nur, was dem Markt beziehungsweise der Privatwirtschaft nützt. Erkenntnisgewinn, zivilisatorischer und kultureller Fortschritt und das Streben nach beidem sind demnach keine Werte an sich.

Von den beiden von einer marktanalogen Umgestaltung ausgenommenen Bereichen – den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern sowie der Medizin – bildet allein letzterer in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Naturwissenschaftliche und technische Fächer werden allein auf Grund ihres mutmaßlichen Beitrags zum Wirtschaftswachstum, nicht um ihrer selbst willen geschützt.

Auf lange Sicht wird das Berufsethos, auf das sich Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes auf Grund ihrer Fähigkeiten und Erfahrungen berufen, eines der Hauptopfer derartiger Reformen sein. Im Rahmen des »New Public Management« ist ihnen bereits gesagt worden, daß sich ihre Kenntnisse und Verfahren von denen, deren man sich in der Wirtschaft bedient, nicht grundsätzlich unterschieden – sondern nur insofern, als sie ihnen in punkto Effizienz weit unterlegen seien.

Diese Doktrin hat einen nützlichen Nebeneffekt für die Neoliberalen. Wenn der öffentliche Sektor von der Privatwirtschaft lernen soll, dann sind deren Manager zweifellos die besten Kandidaten für die Leitung öffentlicher Dienstleistungsbetriebe – und die öffentlich Bediensteten können die nötigen Kenntnisse am besten durch Entsendung in Privatunternehmen erwerben. Hiermit wirft das »NPM« dem Neoliberalismus der Konzerne eine seit langem etablierte, diesem aber zunehmend unbequeme liberal-kapitalistische Grundüberzeugung zum Fraß vor: Daß eine gewisse Distanz zwischen Behördenvertretern und Privatwirtschaft unabdingbar sei, um Korruption zu verhindern.

Wenn der öffentliche Dienst durch eine zunehmende Vermischung beider Bereiche verbessert werden soll, wie es das NPM lehrt, dann muß man diese Regel über Bord werfen. Die Akzeptanz dieser Verschiebung im Verhältnis zwischen staatlichen und kapitalistischen Wirtschaftbetrieben ist ein wichtiger Indikator für den Wandel vom marktorientierten zum konzernorientierten Neoliberalismus. (Eine ausführlichere Diskussion dieser Problematik bietet Ha-Joon Chang 2007).



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.