Der Whisky-Pfarrer - Drei Storys by McDermid Val

Der Whisky-Pfarrer - Drei Storys by McDermid Val

Autor:McDermid, Val [McDermid, Val]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-29T16:00:00+00:00


Darkling – ein Geschöpf der Dunkelheit

Als das Telefon sieben nach zwei in der Früh klingelt, ist mir klar, dass ich so tun muss, als sei ich gerade aufgewacht. Bei den Menschen ist das ja so. Denn sie schlafen. »Wassn los?«, murmle ich.

Die Stimme am anderen Ende ist mir vertraut. »Hier DCI Scott. Tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe, Doc. Aber ich weiß doch, dass Sie gerne den Tatort sehen, wenn er noch ganz frisch ist.«

Und natürlich hat er recht. Je frischer der Tatort, desto einfacher ist es für mich, den Weg zu dem Moment zurückzuverfolgen, in dem die Tat begangen wurde. So ziehe ich Rückschlüsse, die DCI Scott und seinem Team helfen werden, den Mörder zu überführen. Ich bin Profiler, verstehen Sie. Als ich begriffen hatte, dass ich mit meinem Körper an diesem Ort und in dieser Zeit festsaß, fand ich, Profiler wäre ein Beruf, der interessant und außerdem für die Gesellschaft von Nutzen wäre. Noch dazu hat er den Vorteil, dass Qualifikationen und Ausbildung nicht allzu klar definiert sind. Solange ich meine Arbeit gut erledige, fragt keiner so genau nach, an welcher Schule oder Universität ich war.

Ich verspreche, in fünfzehn Minuten dort zu sein. Natürlich könnte ich es auch viel schneller schaffen, schon allein weil ich bereits angezogen bin. Aber Erstaunen will ich auf keinen Fall wecken. Ich muss so lange überleben, bis ich eine Lösung für meine Lage gefunden habe. Und das heißt, ich darf keinen Verdacht erwecken.

Als ich ankomme, ist man bereits mit der üblichen Geschäftigkeit im Zeitlupentempo bei der Arbeit. Hinter einer Einkaufsmeile am Stadtrand werden die kriminaltechnischen Rituale abgespult. Heute Nacht, nur für eine Nacht, befindet sich hier eine Bühne des Makabren.

Die Leiche ist ein bemitleidenswert junger Mann, noch nicht mal dreißig, würde ich sagen. Er ist schwarz gekleidet, die Frisur im Gruftistil passt dazu. Silberringe in den Ohren und an den Fingern. Er ist kreideweiß, und erst auf den zweiten Blick merke ich, dass das kein Make-up ist. Offenbar hat er durch die zwei kleinen Löcher im Hals alles Blut verloren.

»Vampire gibt es doch nicht, stimmt’s?«, fragt Scott schroff. »Das sag ich meinen Töchtern immer. All dieser Twilight-Mist.«

»Der hier ist nicht der Erste?«

»Der Dritte dieses Jahr. Wir haben es bis jetzt für uns behalten, aber irgendwann wird es doch rauskommen.«

Da bemerke ich das Wort an der Wand. Ganz unten, fast in Bodennähe ist es hingekritzelt worden, aber ich sehe sofort, dass es mit Blut geschrieben ist. Es wird etwas Zeit in Anspruch nehmen, bis die Kriminaltechniker das bestätigen können, aber ich weiß, dass ich recht habe. Ich gehe in die Hocke, um es mir genauer anzuschauen, und werde vom Fotografen, dem ich in die Quere gekommen bin, verdrießlich gerügt. »Darkling« steht da.

Schockiert weiche ich einen Schritt zurück. »Ist das hier zum ersten Mal aufgetaucht?« Ich zeige auf das kleine hingekritzelte Wort. »Hat es an den anderen Tatorten auch schon so was gegeben?«

»Niemand hat etwas bemerkt«, sagt Scott. »Aber ich werde jemanden beauftragen, sich die Tatortfotos noch mal vorzunehmen.«

Das wird aber nicht nötig sein.



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