Der Schatten im Wasser by Frimansson Inger

Der Schatten im Wasser by Frimansson Inger

Autor:Frimansson, Inger [Inger, Frimansson]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-02-14T16:00:00+00:00


IN DEM MOMENT, ALS TOMMY in den Kreisverkehr am Brommaplan einbog, fiel es ihm ein. Sie mussten den See absuchen. Er hatte alles durchgelesen, was in der Akte Berit Assarsson bezüglich ihres Verschwindens dokumentiert war, aber, verdammt noch mal, kein Wort über den See gefunden. Wie konnte man nur eine Maßnahme wie diese vergessen! Er war manchmal recht nachlässig gewesen, der gute Nästman, vermutlich hatte es mit seiner Krankheit zu tun.

Sie hatten sich während Nästmans Zeit bei der schwedischen Reichskriminalpolizei kennen gelernt, als Tommy neu dort war. Die sympathische Art des älteren Kollegen hatte ihm gefallen, er konnte zuhören und benutzte nicht diesen überheblichen Jargon gegenüber denen, die neu waren. Ab und zu aßen sie zusammen zu Mittag. Nästman war damals bereits von seiner Krankheit gezeichnet, doch keiner wusste, dass sein Zustand so ernst war. Er berichtete ihm einiges über Justine Dalvik und wollte Tommys Einschätzung dazu wissen. Das hatte ihn erstaunt und froh gestimmt.

Während Nästmans letzten Wochen besuchte Tommy ihn oft in der Stockholmer Privatklinik, in der er behandelt wurde. Er lag in einem großen und zugegebenermaßen recht gemütlich eingerichteten Zimmer, und auf seinem Nachttisch standen Fotos von seinen Söhnen mit ihren Frauen oder Lebensgefährtinnen. An der Wand hing ein Bild mit einem Strichmännchen mit langen dünnen Beinen. Für Opa stand mit Erwachsenenschrift darunter geschrieben. Werde bald gesund, damit du wieder mit mir spielen kannst. Umarmungen und Küsse von Malin. Tommy hatte dort gesessen und das Bild betrachtet, während es ihn an seine eigenen Sorgen erinnerte. Seine Tochter Christa hatte überhaupt kein einziges Bild zustande gebracht, es handelte sich um ein Stadium in ihrem Leben, das sie völlig ausgelassen hatte. Und das war nicht das einzige.

Hans Nästman redete nicht besonders viel. Er lag meistens da und hatte die Augen geschlossen. Ab und zu zuckten seine Augenlider, und es gelang ihm, denjenigen, der an der Bettkante saß, zu fokussieren. Manchmal brachte er sogar ein Lächeln hervor. Tommy drückte dann seine Hand, es gab nicht so viel zu sagen. In regelmäßigen Abständen kam eine junge Krankenschwester herein und vergewisserte sich, dass alles in Ordnung war. Was es natürlich nicht war. Doch dagegen konnte dieses hübsche weibliche Wesen leider auch nichts tun, wie übrigens auch sonst niemand.

Zum Glück schien er keine Schmerzen zu haben, da er höchstwahrscheinlich je nach Bedarf Morphin erhielt. Das Unangenehme allerdings war der Geruch im Zimmer, ein Gestank nach Verwesung und Stuhlgang. In den ersten Minuten musste Tommy immer durch den Mund atmen. Doch er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Auf dem Tisch standen Blumen von den Kollegen aus dem Präsidium, aber offensichtlich bekam er außer von Tommy keinen regelmäßigen Besuch. An manchen Tagen saß Nästmans Ehefrau Katarina bei ihm. Dafür, dass sie über 60 war, sah sie ungewöhnlich gut aus. Schlank, dunkles, hochgestecktes Haar, stark geschminkte Lippen. Er erinnerte sich an ihren Gesichtsausdruck während der Beerdigung, wie sie an die Decke der Kapelle geschaut hatte, ihre leeren, weit geöffneten Augen. Er fragte sich, wie es ihr danach wohl ergangen war. Hatte sie eine neue Beziehung begonnen?



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