Der Graf von Monte Christo 1 by Alexandre Dumas
Autor:Alexandre Dumas [Dumas, Alexandre]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Er nahm also den Hauptmann beiseite, während sich das Mädchen, am Stamme einer großen Fichte sitzend, die sich inmitten einer Lichtung im Walde erhob, aus der malerischen Kopfbedeckung, wie sie die römischen Landmädchen tragen, einen Schleier gemacht hatte und ihr Gesicht vor den lüsternen Blicken der Banditen verbarg.
Dort erzählte er ihm alles, seine Liebschaft mit der Gefangenen, ihre Treueschwüre und wie er sich mit ihr, seit sie in der Gegend waren, jede Nacht in einer Ruine getroff en.
Carlini beschwor seinen Hauptmann, zu seinen Gunsten eine Ausnahme zu machen und Rita zu schonen. Er stellte ihm vor, daß ihr Vater reich sei und ein gutes Lösegeld zahlen werde.
Cucumetto schien den Bitten seines Freundes nachzugeben und beauftragte ihn, einen Hirten zu suchen, den man zu dem Vater Ritas nach Frosinone schicken könne.
Carlini trat fröhlich an das junge Mädchen heran, sagte ihr, daß sie gerettet sei, und veranlaßte sie, an ihren Vater einen Brief zu schreiben. Sie berichtete darin, was ihr zugestoßen war, und teilte mit, daß ihr Lösegeld auf dreihundert Piaster festgesetzt sei.
Man gab dem Vater eine Frist von zwölf Stunden, das heißt bis zum andern Morgen um neun Uhr.
Als der Brief geschrieben war, eilte Carlini sofort damit in die Ebene, um einen Boten zu suchen.
Er fand einen jungen Hirten, der seine Herde in die Hürde trieb.
Die Hirten sind die Boten der Räuber, da sie zwischen Stadt und Gebirge, zwischen dem wilden und dem geordneten Leben stehen.
Der junge Hirte machte sich sofort auf den Weg. Er hatte versprochen, noch vor Ablauf einer Stunde in Frosinone zu sein.
Carlini kehrte zurück, um seiner Geliebten diese gute Nachricht mitzuteilen.
Er fand die Bande in der Lichtung, wo die Räuber die Vorräte verzehrten, die sie von den Landleuten als Tribut erhoben; unter dieser lustigen Versammlung suchte er Cucumetto und Rita vergebens.
Er fragte, wo sie wären; die Banditen antworteten mit einem schal-lenden Gelächter. Kalter Schweiß trat auf Carlinis Stirn, und er fühl-te, wie sein Herz sich in Todesangst zusammenkrampfte.
Er wiederholte seine Frage. Einer der Räuber füllte sein Glas mit Orvietowein und reichte es ihm, indem er sagte:
»Auf das Wohl des tapferen Cucumetto und der schönen Rita!«
In diesem Augenblick glaubte Carlini den Schrei einer Frau zu hören.
Er nahm das Glas, schlug es auf dem Gesicht des Räubers entzwei und stürzte in die Richtung, woher der Schrei gekommen war.
Nach hundert Schritten fand er hinter einem Dickicht Rita ohnmächtig in den Armen Cucumettos.
Die beiden Banditen sahen sich einen Augenblick an.
Rita lag zwischen den beiden.
Der Mond beschien die Szene.
»Nun«, sagte Cucumetto, »hast du den Auftrag, der dir erteilt war, ausgeführt?«
»Jawohl, Hauptmann«, antwortete Carlini, »und morgen vor neun Uhr wird der Vater Ritas mit dem Geld hier sein.«
»Sehr gut. Inzwischen werden wir eine fröhliche Nacht feiern.
Dieses Mädchen ist reizend, und du hast wahrhaftig einen guten Geschmack, Carlini. Da ich kein Egoist bin, so wollen wir zu den Kameraden zurückkehren und darum losen, wem sie jetzt gehören soll.«
»Du bist also entschlossen, sie dem allgemeinen Gesetz zu überlassen?« fragte Carlini.
»Und warum sollte zu ihren Gunsten eine Ausnahme gemacht werden?«
»Ich hatte geglaubt, daß du auf meine Bitte …«
»Und was bist du mehr als die andern?«
»Das ist richtig.
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