Der Gefallen: Eine Jack Parlabane-Story (German Edition) by Brookmyre Chris

Der Gefallen: Eine Jack Parlabane-Story (German Edition) by Brookmyre Chris

Autor:Brookmyre, Chris [Brookmyre, Chris]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2019-10-06T16:00:00+00:00


Lesen Sie die ganze Geschichte

M itten in der Nacht klingelte mein Telefon. Als ich danach griff, hatte ich für einen seligen, schlaftrunkenen Moment die Hoffnung, es könnte sie sein: Vielleicht kam sie nach einer langwierigen Horror-Operation aus dem OP und checkte ihre Nachrichten.

Aber sie war nicht dran. Es war Marcus. Er redete so schnell und klang so wütend, dass ich nur jedes fünfte Wort verstand, und das waren überwiegend Schimpfwörter. Vermutlich war das Kleingedruckte eh egal, wenn die Überschrift so fett war: Meine Bombengeschichte ist vor unserer Nase explodiert und hat einen Krater hinterlassen, den man vom Weltall aus sehen konnte.

Die nächste Taxifahrt durch London, während am Horizont der erste schmale Streifen Licht die Dämmerung ankündigte. Die Sonne ging an einem ganz miesen Tag auf. Ich saß auf der Rückbank mit einem Laptop auf dem Schoß und kalten Steinen im Bauch.

Der Telegraph hatte die Story: die echte Story.

Sie hatten gewartet, bis der Clarion mit seiner endgültigen Version raus war, bevor sie sie online platzen ließen. Die tiefergehenden Hintergründe würden laufend online aktualisiert und morgen in voller Länge in der Printausgabe zu lesen sein.

Der Telegraph war seit jeher die Zeitung gewesen, die dem Geheimdienst am nächsten stand, sodass sie ihre Hinweise für gewöhnlich von Quellen aus den oberen Reihen bezogen. Der Preis für diese enge Beziehung war vermutlich, dass die Agenten ihnen zuweilen eine Falschmeldung verkauften. So berichtete der Telegraph 2003, dass in den Trümmern und dem Chaos von Bagdad Soldaten Dokumente gefunden hätten (zufällig in dem ersten Aktenschrank, auf den sie stießen), die zeigten, dass George Galloway, ein entschiedener Kriegsgegner, ein bezahlter Handlanger Saddams gewesen sei. Es musste schon ganz schön demütigend gewesen sein zu merken, dass man zum Propagandasprachrohr von jemand anderem geworden war, doch das war nichts im Vergleich zu der absoluten Demütigung, die ich dem Clarion zugefügt hatte. Seit den Hitler-Tagebüchern hatte es wohl keine größere Blamage einer britischen Zeitung gegeben.

«Treffer, verarscht», war die süffisante Überschrift. «Clarion spielt den dummen August in einer Schlafzimmer-Posse des Verteidigungsministeriums.»

Die Attentatsgeschichte des Afghanen, die ich auf Meads Laptop gefunden hatte, war eine bewusst sensationelle Falschmeldung als Test für Sicherheitslücken gewesen.

«Das funktioniert wie ein Einlauf mit Kontrastmittel», berichtete die namentlich nicht genannte Quelle dem Telegraph , die bestimmt ganz glücklich über die gewählte Metapher war. «Wir sind in der Lage, den Verlauf vom Eintritt in das Netzwerk bis zum Austritt nachzuverfolgen und so die Schwachstellen zu identifizieren, seien es systemische oder individuelle.»

Aber da war noch mehr. Sie wussten um Mead, und sie kannten sogar den Namen seiner Geliebten: Angela Goldman, so etwas wie ein aufgehender Stern bei Ordnance Systems Europe. Die ganze Operation war auf oberster Ebene angezettelt worden, nachdem durchsickerte, dass OSE über ein paar zu viele Informationen zu geplanten Anschaffungen, Plänen und Budgets des Verteidigungsministeriums verfügte.

Es war direkt vor mir gewesen, und ich habe es übersehen. Ich hatte das Gefühl gehabt, in eine Falle zu tappen, aber gedacht, die Gefahr ginge von Buzzkill aus. Und ich hatte so verzweifelt nach der großen Geschichte gelechzt, dass ich nicht über den Tellerrand geschaut hatte.



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