Der falsche Engel by Polina Daschkowa
Autor:Polina Daschkowa
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783351032142
Herausgeber: Aufbau-Verlag
veröffentlicht: 2007-08-15T00:00:00+00:00
Natalja Gerassimowa betrat die Wohnung ihres Sohnes und hängte ihren Mantel ordentlich auf einen Bügel. Sie wollte ein paar Sachen für ihren Sohn zusammenpacken. In drei Tagen fuhren sie alle zusammen nach Griechenland.
Die Wohnung wirkte unbewohnt. Wahrscheinlich, weil Stas lange nicht hier übernachtet hatte.
Das Telefon klingelte.
Der Hörer blieb stumm. Sie meinte, der Anrufer würde es gleich noch einmal versuchen, und wartete eine Weile, doch das Telefon klingelte kein zweites Mal.
Wahrscheinlich überprüft jemand, ob Stas zu Hause ist. Er muss unbedingt eine Nummernerkennung zuschalten lassen. Wladimir hat immer gesagt …
Ehe sie sich erinnern konnte, was Wladimir zu diesem Thema immer gesagt hatte, erstarrte sie auf der Schwelle des Schlafzimmers und schaute fassungslos auf das Bett.
Eine nackte Matratze. Zwei Kissen, eins auf dem Boden, eins auf einem Stuhl. In der schneeweißen Matratze gähnte ein scheußliches Loch mit schmutzigbraunen Rändern.
Aus Angst vor einem Asthmaanfall schleppte sie sich mühsam in den Flur, nahm mit zitternden Händen ihr Asthmaspray aus der Tasche und sprühte sich etwas in den Mund.
Diebe, schoss es ihr durch den Kopf. Natürlich, das waren bloß Diebe.
Sie überprüfte die Schreibtischfächer und stellte fest, dass das Geld noch vorhanden und überhaupt alles in Ordnung war. Mechanisch griff sie nach einem Besen, begann zu fegen und bemerkte dabei einige feste Papierschnipsel, die von einem Schwarzweißfoto stammten.
Sie rannte zurück zum Schreibtisch. Genau. Unter der Glasplatte fehlte das größte und schönste Foto von Stas. Sie musste rasch die Sachen zusammenpacken und nach Hause zurückkehren. Vielleicht konnte Stas ihr erklären, was in seiner Wohnung passiert war.
Sie öffnete den Schrank und holte Hosen, Hemden, T-Shirts, Jeans, Shorts und leichte Pullis heraus. Sie musste nur mit Stas reden. Der Junge verheimlichte ihnen nun nichts mehr. Er hatte Angst, und er wusste, dass seine Eltern die Menschen waren, die ihm am nächsten standen.
Natalja packte, schloss den Koffer und rief den Chauffeur Nikolai an, damit er hochkam.
Im Auto wurde ihr erneut schlecht. Sie schloss die Augen, versuchte sich zu entspannen und an etwas Angenehmes zu denken. Sie musste ihre Kräfte schonen – für ihren Sohn.
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