Der Bauernkrieg by Blickle Peter
Autor:Blickle, Peter [Blickle, Peter]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verlag C.H.Beck
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Abb. 5: Letzte Seite der Zwölf Artikel der oberschwäbischen Bauern, Straßburg [W. Klöpfel] 1525. Nach dem Exemplar der Öffentlichen Bibliothek der Universität Basel Ki. Ar. I VII 1 a Nr. 11.
Unter den Bauern und Bürgern hat es hingegen nicht an Versuchen gefehlt, aus dem reinen Evangelium ein Göttliches Recht zu machen. In Mühlhausen in Thüringen kam es zu zwei nennenswerten Verfassungsrevisionen. Seit 1523 war für Stadtrechtsrenovationen und Ämterbesetzungen die Zustimmung „der Gemein“ oder der „Achteman von wegen der Gemein“ erforderlich. Gemeinde und Achtmannen als Vertreter der Stadtviertel gewannen so Einfluß auf die weitere Ausgestaltung der Verfassung der Stadt. Ein Jahr später wurde das gesamte Korpus des städtischen Rechts durch die Prädikanten und Achtmannen einer theologischen Verträglichkeitsprüfung unterzogen. „Dieselbe haben alle Artikel, welche sich mit der Bibel und dem Evangelium nicht verglichen“, abgeschafft und außer Kraft gesetzt, hingegen eine neue „Ordnung, wie man fürter in peinlichen und bürgerlichen Sachen richten und handeln soll,“ aufgerichtet. Das war nicht weiter entwicklungsfähig, weil Mühlhausen in kollektiver Haftung für Thomas Müntzer vorübergehend seine Autonomie mit seinen Privilegien verloren hat.
Göttliches Recht ist indessen anderwärts durchaus zum Parameter weltlichen Rechts gemacht worden, ohne je revoziert worden zu sein. So utopisch und irrational, wie bürgerliche Intellektuelle die Bauern gerne porträtieren, waren sie nicht, und schon gar nicht hatten sie die Reformatoren mißverstanden, jedenfalls nicht alle. In Zürich erließen Bürgermeister, Kleiner Rat und Großer Rat am 26. März 1530 ein Mandat zur Förderung „guoter, erbarer Policy und christenlichen Lebens in gmeiner unser Stadt und Landschaft“; für die redaktionellen Vorarbeiten hatten auch die Bauern von der Landschaft mit ihren Vertretern ihre Beschwerden und Forderungen hereingeschickt. Das Mandat regelte nicht nur (gut christlich) den Kirchgang und den Predigtbesuch, die Ehegerichtsbarkeit und die Feiertagsheiligung, die Entfernung der Bilder aus den Kirchen und die Verwendung der Kirchengüter für die Armen, sondern traf auch (gut polizeilich) entscheidende und dauerhafte Bestimmungen über den Besuch der Wirtshäuser, das Zutrinken, das Schuldenmachen, das Kartenspielen, die Gewichte, die Preise für Lebensmittel und die auswärtigen Krämer. Interessant für die Frage, wie das göttliche Recht operationalisierbar gemacht wurde, ist die Begründung. Das Mandat wird von den Räten erlassen „uss Verkündung des hellen, unbetrüglichen Wort Gottes“, das zu „unserer Besserung“ als Richtschnur (Richtschyt) Normen vorgibt in Form „biblischer Geschrift (one Vermischung menschlichen Guotdunkens)“. Es soll „unser und der unseren ärgerliches, zerbrochen Leben“ bessern und „ein fromms, erbars Wesen, ouch guot christenlich Sitten bi den unsern züchten“. Das Mandat dient nicht nur der politischen Ordnung, es wird auch erlassen in der Zuversicht, es ließe sich so mit „Gnaden Gottes etwas mer Frucht“ aus dem menschlichen Zusammenleben gewinnen. Das ist Gesetzgebung aus dem reinen Evangelium, nach Kriterien der göttlichen Gerechtigkeit, nach dem Göttlichen Recht, würden die Bauern gesagt haben. Man hört förmlich Huldrich Zwingli predigen, liest man die Präambel des Mandats. Die Theologie der Verchristlichung der weltlichen Ordnungen ist am Werk, das Heilswerk in politicis wird auf den Weg gebracht.
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