Der Bastard von Tolosa Roman by Ulf Schiewe

Der Bastard von Tolosa  Roman by Ulf Schiewe

Autor:Ulf Schiewe
Die sprache: deu
Format: mobi
ISBN: 9783426412275
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2011-08-02T22:00:00+00:00


Cecilias Grab

Sancta Blandina, Patronin der Dienstmägde und Jungfrauen

Quinta Feria, 2. Tag des Monats Juni

Früh am anderen Morgen besuchten Adela und ich das Grab meiner Mutter. Am Westrand des Dorfs befindet sich ein kleiner, eingefriedeter Gottesacker, dessen oberer Bereich seit jeher von den Burgherren beansprucht wird. Dort hatte sie ihre letzte Ruhe gefunden. Stumm standen wir vor dem Gedenkstein, auf dem ihr Name eingemeißelt ist, Cecilia de Monisat, Gemahlin des Ramon Montalban.

Wir Gottesfürchtigen, sei es Christen oder Muslime, glauben an ein Leben nach dem Tod. Wir glauben an die Seele, die zu Gott auffährt und in seiner Umarmung ewige Ruhe findet. Aber auch auf Erden leben die Toten weiter, in der Erinnerung derjenigen, die ihren Lebensweg geteilt haben. Hier also lag Cecilia, eine gute Herrin, von allen geachtet. In meinem Herzen versuchte ich, sie lebendig werden zu lassen, Trauer über ihren frühen Tod zu verspüren. Doch zu meinem Erstaunen empfand ich wenig für meine Mutter. Nur ein undeutliches Gefühl des Bedauerns für ihr unerfülltes Leben ohne Mann und ohne Kinder, außer einem Sohn, der sich von ihr abgewandt hatte.

Adela befingerte Cecilias Kreuz an ihrem Hals.

»Wo ist Großvater begraben?«, fragte sie.

»Irgendwo in Spanien. Er ist bei einer Schlacht gegen die Mauren gefallen. Nur sein Schwert hat man heimgebracht.«

»Hast du es noch?«

»Natürlich.« Ich verschwieg, dass Noura es zuletzt in der Hand gehabt hatte, um sich gegen ihren Mörder zu wehren.

»War er so groß wie du?«

»Nein. Eher untersetzt und kräftig. Wie viele Katalanen.«

»Und Großmutter? Wie hat sie ausgesehen?«

Ich versuchte, mir Cecilias Gesicht in Erinnerung zu rufen. »Sie war eine stolze Frau. Auch nicht sehr groß, fast zart. Hellbraune Haare, die sie meist unter einer Haube versteckt hielt, und kluge, graue Augen.«

»Dann sah sie aber nicht aus wie du.«

»Nicht wirklich.«

»Wieso bist du so groß, wenn deine Eltern klein waren.«

Ich zuckte mit den Achseln. »Odo ist groß, wenn dir das hilft.«

»Werden wir jetzt immer in diesem Haus wohnen?«, fragte sie. Gemeint war die alberc.

»Ich hoffe nicht.«

»Aber wenn sie uns nie mehr in die Burg lässt?«

»Berta wird sich wieder beruhigen«, erwiderte ich mit mehr Überzeugung, als ich verspürte.

»Wirst du meine Kapelle bauen, wie du versprochen hast?«

Nun war es schon ihre Kapelle, dachte ich belustigt.

»Natürlich. Wenn sich alles ein wenig beruhigt hat. Aber zuerst muss ich einen Baumeister finden.«

Arme Cecilia. Auch Adela hatte andere Sorgen, als an ihre Großmutter zu denken. Für die Seele der alten Dame hoffte ich auf mehr Wärme im Himmel als bei uns Hinterbliebenen.

***

Vormittags ritten Hamid und ich mit Bauern aus dem Dorf zu den höher gelegenen Wiesen und begannen, die neuen Koppeln abzustecken. Einige Männer schlugen Holz für Umzäunungen, andere begannen die harte Arbeit, Brachland in Ackerböden zu verwandeln. Dabei unterhielt ich mich mit ihnen. Viehdiebstähle habe es in letzter Zeit gegeben, so klagten sie. Scheunen seien in Flammen aufgegangen. Jemand habe an manchen Stellen Olivenbäume umgehauen, und einem Pächter weiter das Tal hinauf habe man ein totes Kalb in den Brunnen geworfen und so das Wasser vergiftet. Es ging so weit, dass sich niemand des Nachts mehr hinaustraue. Erst kürzlich sei ein Kind tot geboren worden, und letzte Woche war eine Kuh beim Kalben gestorben.



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