Der Balkanizer by Rabrenović Danko

Der Balkanizer by Rabrenović Danko

Autor:Rabrenović, Danko [Rabrenović, Danko]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832188931
Herausgeber: Dumont
veröffentlicht: 2015-12-07T16:00:00+00:00


Jugoslawische Neue Welle

Ausgerechnet Goran Bregović stand beim ersten Konzertbesuch meines Lebens auf der Bühne. Belgrad, 1979. Ich war zehn Jahre alt, und meine Cousine Aleksandra hatte mich zu einem Konzert von Bijelo Dugme (auf Deutsch: Weißer Knopf) geschleppt …

Mit ihren langen Matten, den hohen Absätzen und den im Schritt hautengen Schlaghosen machten Bandleader Bregović und seine Kollegen einen auf dicke Eier. Die Ideen für das Outfit übernahm Bregović von internationalen Rockgrößen wie Led Zeppelin und Deep Purple, musikalisch mischte er Rocksounds mit folkloristischen Melodien. Schon damals hatte der inoffizielle Balkanklischee-Botschafter eine Nase für den Geschmack der breiten Masse: Nach einigen Jahren setzten sich Bijelo Dugme durch, und bis heute gelten sie als die erfolgreichste jugoslawische Poprock-Band aller Zeiten. Auch ich war zunächst vom Bijelo-Dugme-Fieber infiziert. Doch schon kurze Zeit später fing ich an, selbst Musik zu machen, und entdeckte die wahren Helden meiner Jugend.

Anfang der 1980er-Jahre passierte viel in der europäischen Musikszene: In Deutschland schwammen die Interpreten der Neuen Deutschen Welle an die Spitze der Charts, in Großbritannien dominierten Punk-Bands wie The Clash und Sex Pistols und New Waver wie Depeche Mode und The Cure die Szene. Und plötzlich konnten auch wir Jugos einen originellen Sound vorweisen, keinen Westverschnitt: die Jugoslawische Neue Welle, auch YU-New-Wave genannt. Aus den Garagen und Übungskellern von Ljubljana, Belgrad und Zagreb spülte sie Bands ins Rampenlicht, die auf bis dahin nicht gekannte Art und Weise mit Off-Beat-Rhythmen, witzigen und subversiven Texten, coolem Outfit und nicht zu bremsender Energie an den Start gingen: Pankrti, Šarlo Akrobata, Idoli, Haustor, Azra und noch viele andere. Rückblickend war diese Ära wahrscheinlich die einzige in der Pop-Geschichte Jugoslawiens, in der das Land Musik auf gleicher Augenhöhe mit dem Westen produzierte.

In diesen Jahren, von 1980 bis 1984, lebte ich mit meinen Eltern in China. Jeden Sommer schleppte ich ein Dutzend Platten aus Jugoslawien nach Peking und tauschte sie dort mit anderen Teenagern der jugoslawischen Kolonie aus. Mitte der 80er, als ich wieder in Belgrad lebte, wurde aus der Jugoslawischen Neuen Welle eine große und bunte Pop-Rock-Szene. Für mich und meine Freunde war der 25. Mai immer der absolute Höhepunkt des Jahres. Nicht weil er als Titos Geburtstag und Tag der Jugend gefeiert wurde, sondern weil uns an diesem Tag ein großes Open-Air-Festival im Zentrum der Stadt magisch anzog. Jede Band spielte eine halbe Stunde, und ich war bei dem Spektakel als einer von bis zu 150 000 Zuschauern ganz vorne dabei. Die Stars der Szene gingen auf 40-Städte-Tourneen durchs ganze Land und verkauften bis zu 200 000 Exemplare eines Albums. Das war deutlich weniger als die eine Million, die Bijelo Dugme pro LP absetzte, für ein 22-Millionen-Einwohner-Land aber verdammt viel. Unsere Idole waren – wenn auch abseits vom Massengeschmack – präsent und unüberhörbar.

Nach der YU-New-Wave-Ära eroberten Kommerzproduktionen den Markt und drängten die urbane Rockszene wieder in die Nischen der kleinen Clubs. Mich und meine pubertierende Clique kotzte das an, umso mehr versuchten wir, uns abzugrenzen. Die schlagermäßig aufgepeppte »neukomponierte Folklore« von Stars wie Lepa Brena (»Die schöne Brena«) fanden wir schrecklich kitschig und uncool.



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