Der achte Zwerg by Ross Thomas

Der achte Zwerg by Ross Thomas

Autor:Ross Thomas [Thomas, Ross]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-01-27T05:00:00+00:00


18

Der Butler war kein guter Fahrer, oder vielleicht lag es daran, daß er mit dem UNRRA-Wagen seines Chefs, einem von der Armee ausgemusterten ’41er Ford Sedan mit vielen tausend Meilen auf dem Buckel, nicht vertraut war. Jedenfalls würgte er ihn andauernd ab, schob geräuschvoll die Gänge hinein und fuhr immerzu im zweiten Gang, als wüßte er nicht, daß es auch einen dritten gab.

»Heute nachmittag werden wir uns ein anständiges Auto ansehen, Herr Doktor«, sagte er über die Schulter zu Jackson.

»Prima«, sagte Jackson vom Rücksitz des Ford, auf den er mit einer herrischen Geste des Butlers gewiesen worden war. Jackson war sich nicht ganz sicher, weshalb der Butler ihn mit Herr Doktor anredete, ging aber davon aus, daß das von irgendeinem Märchen kam, das der Zwerg dem Butler aufgetischt hatte. Er fragte sich träge, ob er wohl einen Doktor der Medizin oder der Philosophie darstellte.

»Ich habe das Auto gestern dem Herrn Direktor beschrieben.«

»Dem Herrn Direktor?«

»Dem kleinen Herrn.«

»Ah, ja«, sagte Jackson. »Herr Direktor Ploscaru.«

»Ein seltener Name für einen Schweizer.«

»Sehr selten.«

»Aber ich finde es großartig, daß jemand mit einem Handicap wie der Herr Direktor solch eine wichtige Position erlangen kann.«

»Klein, aber oho«, sagte Jackson und zuckte vor seiner eigenen Banalität zurück.

»Wie wahr«, sagte der Butler ernsthaft. »Wie sehr, sehr wahr.«

Ein paar Straßen lang herrschte Schweigen. Dann sagte der Butler: »Ich war nicht immer ein Butler, wissen Sie, Herr Doktor.«

»Nein?«

»Nein. Vor dem Krieg und sogar während des Krieges war ich Lebensmittellieferant. Ich hatte meine eigene Firma. Wir hatten uns auf Hochzeiten und – und bestimmte bürgerliche Feierlichkeiten spezialisiert.« Das letzte kam etwas zu hastig, dachte Jackson.

»Nach dem Krieg, als die Amerikaner gekommen sind, habe ich dann für sie in einer Position gearbeitet, die große Verantwortung mit sich gebracht hat.«

»Davon bin ich überzeugt.«

»Aber das war nicht von Dauer.«

»Was ist passiert?«

»Mein Schwager, den ich in meine Gastronomiefirma aufgenommen hatte und dem ich alles beigebracht hatte, hat mich bei den Amerikanern als früheres Parteimitglied denunziert. Man hat mich entlassen und meinem Schwager meinen Job gegeben – was er auch die ganze Zeit im Sinn hatte.«

»Und, waren Sie es?«

»Was?«

»Parteimitglied.«

Der Butler zuckte mit den Achseln. »Natürlich. Wie ich schon sagte, meine Firma wurde auch für viele offizielle Anlässe beauftragt – vor allem Empfänge. Um solche Aufträge zu bekommen, mußte man Parteimitglied sein. Es war einfach eine Geschäftsvoraussetzung. Ich habe, natürlich, nicht an den Parteiaktivitäten teilgenommen. Ich bin unpolitisch, und ich fand die Partei ziemlich dumm. Mein Schwager dagegen …« Er brach ab.

»Was ist mit ihm?«

»Ach, er war sehr an Politik interessiert. Sechsmal hat er versucht, der Partei beizutreten und wurde jedesmal abgelehnt – aufgrund seiner emotionalen Instabilität.« Der Butler nahm eine Hand vom Lenkrad und tippte sich an die Stirn. »Ein sonderbarer Kauz.«

»Nicht ganz richtig, also?«

»Nicht ganz. Das habe ich den Amerikanern natürlich gesagt. War ja meine Pflicht.«

»So wie es die Pflicht Ihres Schwagers war, die Amerikaner über Sie zu informieren.«

»Genau. Man muß sich an die Vorschriften halten, wo wären wir sonst?«

»In der Tat, wo.«

»Zwei Monate später ist mein Schwager leider durchgedreht und hat den Amerikaner getötet, der ihn eingestellt hatte.



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