Das Moskau-Spiel by Christian Ditfurth

Das Moskau-Spiel by Christian Ditfurth

Autor:Christian Ditfurth [Ditfurth, Christian]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783462302134
Herausgeber: eBook by Kiepenheuer&Witsch
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


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Theo rechnete sich aus, wie groß die Chancen waren, wenn er auf eigene Faust in Moskau ermittelte. Vielleicht drei Promille. Er grinste. Drei Promille, die warfen ihn nicht um. Was musste er tun, um seinen Plan zu verwirklichen? Lauter Dinge, die wahrscheinlich illegal waren und wenigstens seinen Rausschmiss bedeuten konnten. Vermutlich würde es noch schlimmer kommen. Dem Rausschmiss sah er mit Gelassenheit entgegen, er hatte nichts getaugt als Agent im Feldeinsatz, und wenn sein Plan nicht klappte, dann war es nur die Bestätigung. Er würde so vorgehen wie beim ersten Mal, im Prinzip jedenfalls, aber diesmal würde er die richtigen Fragen stellen. Und er würde sich vorbereiten.

Er schaltete den Computer ein und begann nach Literatur zu suchen über die Politik der Achtzigerjahre. Er stieß gleich auf Hochrüstung, NATO – Doppelbeschluss, neue sowjetische Raketen und Atombomber, Krieg der Sterne, Neutronenbombe. Er schrieb sich ein paar Bücher und Fachaufsätze heraus. In der Wikipedia las er einige Übersichtsartikel, aus denen wenig überraschend hervorging, dass die Hochrüstung der beherrschende Streit dieser Zeit war. Er las über die Kommandostabsübung Able Archer 83, bei der die NATO im November dieses Jahres unter größter Geheimhaltung einen Atomkrieg simulierte, was in Moskau als Vorbereitung für einen Angriff missverstanden wurde und die Welt an den Rand des Untergangs rückte. Davor die Sowjetintervention in Afghanistan, aber auch Militäraktionen der USA, offen etwa gegen Grenada, verdeckt zum Beispiel gegen Nicaragua. Der amerikanische Präsident Reagan, der glaubte, sein Land vor Atomraketen schützen zu können, und damit die Abschreckung aushöhlte, jene geistige Perversion, der man angeblich den Frieden verdankte, oder was man dafür hielt. Natürlich hatte Theo darüber einiges gelesen, er war historisch und politisch interessiert und verachtete die Dumpfbacken im Dienst, die von morgens bis abends ans Wochenende und die Pensionen dachten und sich die Zeit bis dahin durch Glotzen und die Lektüre von Primitivliteratur totschlugen. Aber nun wollte Theo es genau wissen. Was haben Agenten in Moskau und anderswo gedacht in dieser Zeit? Was waren ihre Interessen? Ihre Sorgen und Ängste? Er wollte sich in sie hineinversetzen, begreifen, wie sie tickten.

Er duschte, rasierte sich endlich, zog saubere Kleidung an und verließ zum ersten Mal seit Tagen, er hatte vergessen, wie viele er versumpft hatte, die Wohnung.

Draußen war es kalt, aber klar. Eine Luft, die einen aufweckte, die einem durch die Gehirnwindungen pustete und half, die Depression zu vertreiben. Er fuhr mit dem Auto in die Innenstadt, er würde einiges zu tragen haben. Er fand einen Platz in einem Parkhaus in der Stadtmitte, nur ein paar Schritte vom Marienplatz. Er war schon am Morgen bevölkert mit hektischen Passanten und trödelnden Touristen, die das Rathaus bewunderten und im Ewigen Licht Weißwürste essen würden, weil das der Reiseführer empfahl.

Theo war nicht nach Touristen, Münchnern und Weißwürsten zumute, sondern nach dem Buchkaufhaus, das seit Jahrzehnten hier lag. Er durchforstete die Stockwerke, blätterte eine Weile in Aquarienbüchern, zog dann aber weiter, fand unter Geschichte einiges, auch unter Politik, überlegte, ob er die Memoiren Helmut Schmidts erstehen sollte, worauf er dann doch verzichtete, da er den selbstgerechten Alten schon so oft im Fernsehen gesehen hatte.



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