Das magische Jahr - Kriminalroman by Rob Alef

Das magische Jahr - Kriminalroman by Rob Alef

Autor:Rob Alef [Alef, Rob]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
veröffentlicht: 2014-04-27T22:00:00+00:00


Kapitel 11

ST

Zabriskie stieg am Hauptfriedhof aus dem Bus. Um zehn wurde Prometheus Praumann beerdigt, und sie sollte unauffällig Trauergäste beobachten. Der Hauptfriedhof lag mitten im Grunewald. Früher war hier einmal der Selbstmörderfriedhof gewesen, nicht weit von einer Stelle an der Havel, wo viele Menschen ins Wasser gegangen waren. Für Selbstmörder gab es lange Zeit keine letzte Ruhestätte auf den Friedhöfen der verschiedenen Glaubensgemeinschaften. Sie wurden exterritorial beerdigt, ohne Sakramente. Heute war dieser ungeweihte Flecken Erde der größte Friedhof der Stadt. Die meisten Menschen gehörten keiner Religion mehr an und immer mehr dachten rechtzeitig daran, ihre letzte Feierstunde ohne religiösen Würdenträger zu organisieren. Prometheus Praumann bildete da keine Ausnahme.

Die Trauerhalle war bis auf den letzten Platz gefüllt. Zabriskie erblickte eine Wand von Wintermänteln, einige mit Pelz, auch einen Parka nahm sie flüchtig wahr, aber keinen Pachulke. Sie stellte sich neben ein Plastikgestell mit Broschüren, die für eine säkulare Beerdigung warben, und schickte Pachulke eine SMS. Kurz darauf kam die Antwort. Vierte Reihe ganz links. Prima, dachte Zabriskie, das war am entgegengesetzten Ende der Halle. Vorne stand ein Trauerredner und fasste das vergangene Leben in wohlwollenden Worten zusammen. »Es war auch in einem Juni, als der Mann, von dem wir heute Abschied nehmen wollen, seinen entscheidenden Beitrag zur Schlacht ums Tegeler Vlies leistete. Er hatte nicht die genialische Begabung seines engen Weggefährten Richard Dubinski, aber die maßte er sich auch nicht an. Seine Aufgaben hat er zuverlässig ausgeführt. Als die Revolution gesiegt hatte, widmete er sein Leben der Erinnerung an diese aufregende Zeit.«

Und hat sich dumm und dusselig damit verdient. Zabriskie hatte bisher noch keinen Verdächtigen gesehen. Die meisten Besucher waren so alt wie Praumann. Aber auch einige Jüngere waren da. Turnschuhe und Halbschuhe, Lippenstift und Lippenpiercing. Die einen wollten den Abgang einer Zeit erleben, die ihr eigenes Leben immer noch bestimmte. Einige machten sich Notizen, vermutlich Geschichtsstudenten. Die anderen dachten daran, wann sie Praumanns Stelle einnehmen würden.

Zabriskie fror, die Knie taten ihr weh. Sie wollte hier weg. Warum hatte sie sich breitschlagen lassen. Es war Schwachsinn, hier zu sein. Noch nie hatte sie einen Mörder in einer Trauerhalle festgenommen. Sie räumte einen Stapel Broschüren auf den Boden und setzte sich auf den frei gewordenen Stuhl.

Jetzt kam auch noch ein Lied. Der Organist pumpte mit dem Fuß, damit der Balg Luft bekam, das Harmonium gab einen traurigen Akkord von sich, dann ging es los: »Lass mich dich hinunterführen … Nichts ist wirklich … Nichts, worüber du dich ärgern musst …« Die Trauergemeinde brachte den Mund nicht richtig auf und brummelte und radebrechte den Text mit, so gut sie konnte. Der letzte Ton verschwebte. Zabriskie fühlte sich getröstet, aber sie wusste nicht, ob es an dem Lied lag oder daran, dass keiner mehr sang. Die Halle war alles andere als tröstlich. Eine Garage mit sechs Meter hohen Mauern, dafür ohne Heizung. Die Atheisten konnten von den älteren Unternehmen noch gewaltig was lernen, wenn es darum ging, sich zu präsentieren. Der Trauerredner sprach und sprach, es war offenbar sehr viel passiert in Praumanns Leben, oder der Redner wurde nach Minuten bezahlt.



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