Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman by Ricarda Jordan

Das Geheimnis Der Pilgerin: Historischer Roman by Ricarda Jordan

Autor:Ricarda Jordan [Jordan, Ricarda]
Die sprache: deu
Format: mobi
Tags: Roman, Historical, Fiction
ISBN: 3404160819
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2011-08-18T22:00:00+00:00


Gerlin sollte noch anfangen, sich nach Genua oder Sizilien zu sehnen. Wie Salomon vorausgesagt hatte, wurde sie von den anderen Frauen besucht. Alle zeigten sich sehr freundlich und mitfühlend, aber Gerlin fühlte sich natürlich ständig unsicher. Sie wagte kaum, etwas zu sagen, um sich nicht womöglich durch Worte wie »Mein Gott!« oder »Um des Himmels willen!« zu verraten. Juden gebrauchten solche Wendungen nicht, allenfalls spielten sie auf den »Ewigen« an.

Nun wäre das alles gar nicht so schwierig gewesen, hätten sich die Gespräche um Küche oder Kleidung gedreht - obwohl es auch bei diesen Themen ein paar Dinge zu beachten gab. Von koscherer Küche wusste Gerlin zum Beispiel nur von Herrn Salomon, dass die Juden kein Schweinefleisch aßen. Aber die Frauen befragten Gerlin natürlich über ihr Schicksal, den Mord an ihrer Familie, ihre Flucht ... Dabei blieb es nicht aus, dass man den Ratschluss des Ewigen erwähnte oder Gebete einfließen ließ - in letztem Fall konnte Gerlin dann nur wieder weinen. Am Anfang fiel ihr das nicht allzu schwer, auch ihre wirkliche Geschichte war ja traurig, aber nach dem fünften Tränenausbruch an einem Tag konnte sie einfach nicht mehr und hielt es auch für unwahrscheinlich, dass die Frauen ihr die ständigen Weinkrämpfe abnahmen. Das Ganze war anstrengend und gefährlich. Gerlin hätte den Schwindel lieber heute als morgen beendet. Allerdings fand sie nicht einmal Ruhe, wenn die Besucherinnen wieder gingen - sobald sich die Tür geschlossen hatte, begann Frau Rachel mit ihren Tiraden. Sie listete Gerlin all ihre Fehler im Gespräch mit den Frauen auf und schloss daraus, dass ihre Einquartierung sie noch alle ins Grab bringen würde.

Am Samstag, dem Sabbat, wie man bei den Juden sagte, stand dann obendrein der Besuch in der Synagoge an. Gerlin drückte sich, indem sie eine Krankheit ihres Sohnes vortäuschte, aber das hatte nur zur Folge, dass sie gleich wieder mit Besuchen überhäuft wurde. Die Jüdinnen nahmen mitfühlend Anteil.

»Sie sind sehr freundlich und wollen mir bestimmt nichts Böses«, klagte Gerlin verzweifelt Salomon ihr Leid. »Aber ich halte es einfach nicht aus. Wenn das über Wochen so weitergehen soll - auch während der Reise -, werdet Ihr mir Unterricht im jüdischen Leben geben müssen.«

Vorerst übernahm das Abram - er war gerade mal wieder herausgeworfen worden, nachdem er der Pfandleihe drei außergewöhnliche Reliquien mit Echtheitszertifikaten, ausgestellt vom Oberrabbiner in Jerusalem, einem Sultan und einem christlichen Bischof, untergeschoben hatte.

»Ich hab mir wirklich nur ein ganz kleines bisschen Geld dafür aus der Kasse genommen!«, erklärte er seinem erbosten Vater und dem Onkel. »Man hätte die Dinger leicht für das Dreifache weiterverkaufen können. Hätte ich auch gemacht, aber ...«

Abram hatte wie so oft dringend Geld gebraucht. Er spielte gern ein bisschen, und obendrein hatte ihn jeder im Verdacht, immer wieder einer christlichen Hübschlerin nachzusteigen. Natürlich leugnete er das, und auch die Dirnen würden nie zugeben, Geschäfte mit einem Juden gemacht zu haben. Aber Abram war lustig und jung - wahrscheinlich ließ er die Mädchen die Härte ihres Daseins für ein paar Stunden vergessen, wenn er mit ihnen turtelte und sie neckte. Da mochten sie ihre Luden wohl mal hintergehen und ein bisschen Geld auf eigene Rechnung machen.



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