Das Erbe von Winterfell by George R. R. Martin
Autor:George R. R. Martin
Die sprache: deu
Format: epub
EDDARD
Das Stroh am Boden stank nach Urin. Es gab kein Fenster, kein Bett, nicht einmal einen Eimer, Er erinnerte sich an hellroten Stein, mit Flecken von Salpeter überzogen, eine graue Tür aus gesplittertem Holz, zwei Handbreit dick und mit Eisen beschlagen. Er hatte sie gesehen, kurz, einen Blick darauf geworfen, als man ihn hineinstieß. Seit die Tür verschlossen war, hatte er nichts mehr gesehen. Das Dunkel war vollkommen. Er hätte ebenso blind sein können.
Oder tot. Mit seinem König begraben. »Ach, Robert«, murmelte er, während seine Hand über eine kalte Steinwand tastete und bei jeder Bewegung der Schmerz in seinem Bein pulsierte. Er dachte an den Scherz, den der König in der Gruft von Winterfell gemacht hatte, als die Könige von Winter sie mit kalten, steinernen Augen anstarrten. Der König speist, hatte Robert gesagt, und an der Rechten Hand bleibt die Scheiße kleben. Wie hatte er gelacht! Doch hatte er es falsch verstanden. Stirbt der König, dachte Ned, wird die Rechte Hand begraben.
Der Kerker lag unter dem Red Keep, tiefer, als er sich vorzustellen wagte. Alte Geschichten von Maegor dem Grausamen fielen ihm ein, der sämtliche Maurer, die ihm seine Burg erbaut hatten, ermordet hatte, damit sie deren Geheimnisse nicht preisgeben konnten.
Er verfluchte sie alle: Littlefinger, Janos Slynt und seine Goldröcke, die Königin, den Königsmörder, Pycelle und Varys und Ser Barristan, sogar Lord Renly, Roberts eigen Blut, der geflohen war, als er am dringendsten gebraucht wurde. Doch am Ende gab er sich selbst die Schuld. »Dummkopf«, rief er in die Finsternis, »dreimal vermaledeiter, blinder Narr!«
Cersei Lannisters Gesicht schien vor ihm in der Dunkelheit zu schwe-ben. Ihr Haar war voller Sonnenlicht, in ihrem Lächeln jedoch lagen Hohn und Spott. »Wenn man das Spiel um Throne spielt, gewinnt man oder stirbt«, flüsterte sie. Ned hatte gespielt und verloren, und seine Männer hatten seine Torheit mit ihrem Leben bezahlt.
Wenn er an seine Töchter dachte, hätte er gern geweint, doch wollten die Tränen nicht kommen. Selbst jetzt noch war er ein Stark von Winterfell; Trauer und Zorn erstarrten in ihm zu Eis.
Wenn er ganz stillhielt, schmerzte sein Bein nicht so sehr, also tat er sein Bestes, sich nicht zu bewegen. Wie lange, konnte er nicht sagen. Es gab keine Sonne, keinen Mond. Er konnte keine Wände sehen. Ned schloß die Augen und schlug sie wieder auf. Es machte keinen Unterschied. Er schlief und wachte auf und schlief dann wieder ein. Er wußte nicht, was schmerzlicher war, aufzuwachen oder einzuschlafen. Wenn er schlief, träumte er: düstere, verstörende Träume von Blut und gebrochenen Versprechen. Wenn er erwachte, gab es für ihn nichts zu tun als denken, und das war schlimmer als die Alpträume. Der Gedanke an Cat brannte schmerzlich wie ein Nesselbeet. Er fragte sich, wo sie sein mochte, was sie tat. Er fragte sich, ob er sie jemals wiedersehen würde.
Stunden wurden zu Tagen, so zumindest schien es. Er fühlte dumpfen Schmerz in seinem zertrümmerten Bein, ein Zucken unter dem Gips. Wenn er seinen Oberschenkel berührte, fühlte sich die Haut an seinen Fingern heiß an. Hören konnte er nur seinen Atem.
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