Das eisige Herz des Mont Bisanne by Tanner David

Das eisige Herz des Mont Bisanne by Tanner David

Autor:Tanner, David [Tanner, David]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi/Thriller
ISBN: 9783838754154
Google: YWwTAgAAQBAJ
Herausgeber: BASTEI LÜBBE
veröffentlicht: 2014-09-15T22:00:00+00:00


13

Kirchners erste Nachricht an Muriel, nach vier Tagen des Verschollenseins, lautete: Alles gut, ein paar Kratzer, gibt Leute hier, die mich loswerden wollen. Was hältst du von einer Rouenaiser Ente zu Weihnachten? Und viel Burgunder!? Es hatte ein wenig gedauert, hier oben einen Menschen mit einem normalen Telefon zu finden, mit dem er ein Lebenszeichen hätte abschicken können. Bergers Truppe hatte für die Zeit des Winterbiwaks eine Art privates Funkverbot, weil Teile des Materials, das sie testeten, der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlag. Die Soldaten hatten ihre Mobiltelefone und privaten Computer zu Hause lassen müssen, und weil Kirchners Telefon beim Kampf mit dem Motorschlitten verloren gegangen und vermutlich längst von einer Pistenraupe untergepflügt worden war, fand sich erst lange kein Gerät, mit dem er eine private Mitteilung hätte versenden können. Er konnte schlecht aus dem geschlossenen Militärsystem heraus eine Nummer, am besten noch in der Le-Monde-Redaktion, anwählen. An diesem Morgen aber hatte ein privater Zulieferer der Armee die gewaschene Wäsche angeliefert, er war mit seinem Arbeitsschlitten und vielen Anhängern auf dem Gipfelplateau herumgeknattert, und ihn hatte Kirchner darum gebeten, von seinem Handy eine SMS verschicken zu dürfen.

Das Duell mit dem Motorschlitten hatte die Recherche grundlegend verändert. Kirchner wusste nun, dass er einer hochrelevanten Geschichte nachging und dass mächtige Instanzen ihre Finger im Spiel hatten, die er noch nicht kannte. Er konnte jetzt mit Sicherheit davon ausgehen, dass seine Anwesenheit von bestimmten Leuten im Ort gefürchtet wurde und dass diese Leute selbst vor körperlicher Gewalt nicht zurückschreckten, um ihre Ziele umzusetzen oder ihre Pfründe zu verteidigen. Er konnte auch sicher sein, dass sie ihre Geschäfte oder Machenschaften gerne unter Ausschluss der Öffentlichkeit betrieben und die Anwesenheit eines Journalisten deshalb unerträglich finden mussten. Kirchner rief sich selbst zur Ordnung, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen – und doch lag es auf der Hand, dass das Umfeld von Maxime Mortier an erster Stelle verdächtig war.

Außer dem Olympiasieger und seinen beiden Freunden Falsone von der Gendarmerie und Lapierre von der Lokalzeitung wusste ja niemand, dass er überhaupt im Ort war. Der Priester Père Doux wusste es, ja, aber dass der Greis ihm einen motorisierten Schläger auf die Pelle hetzte, war eine lächerliche Idee. Auch Dr. Gramont wusste von seiner, Kirchners, Anwesenheit. Und Kirchner wusste von ihm, dem Arzt, der alle Totenscheine in dieser Mordserie ausgestellt hatte, so gut wie nichts. Es war also auch möglich, dass Dr. Gramont Dreck am Stecken hatte. Schließlich war er es auch gewesen, der die Verabredung mit Kirchner in den Abend verschoben hatte, in die Dunkelheit; das konnte Teil einer Verschwörung oder auch einfach nur Zufall sein. Dr. Gramont war jedenfalls fürs Erste ebenso ein Kandidat für Kirchners Liste der Verdächtigen.

Was aber war mit Mortier selbst? Kirchner hatte ihn bei den bisherigen Begegnungen als nett und angenehm erlebt. Gewiss, ihm gehörten das schöne Hotel und das große Sportgeschäft, oder sie gehörten, wie er gesagt hatte, seiner Familie. Es war auch klar, dass ihm der Skandal um eine vertuschte Mordserie finanziell schaden würde, wie das ganze Dorf wirtschaftlich eine Zeit lang leiden würde.



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