Das 4. Buch des Blutes by Clive Barker
Autor:Clive Barker [Barker, Clive]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-11-13T00:00:00+00:00
Erscheine, Satan!
Die Verhältnisse hatten Gregorius unermeÃlich reich gemacht. Ihm gehörten Flotten und Paläste, Zuchthengste, Städte. Ja, ihm gehörte so vieles, daà jene, die schlieÃlich â als die Ereignisse der vorliegenden Geschichte ihren monströsen Abschluà fanden â mit der Auflistung seiner Besitztümer betraut waren, gelegentlich den Eindruck hatten, eine Zusammenstellung der Dinge, die Gregorius nicht gehörten, lasse sich schneller bewerkstelligen.
Reich war er; aber alles andere als glücklich. Er war katholisch erzogen worden und hatte in seinen frühen Jahren â vor seinem schwindelerregenden Aufstieg zu Wohlstand und Vermögen â Beistand in seinem Glauben gefunden. Aber den hatte er vernachlässigt, und erst als er fünfundfünfzig geworden war, die Welt lag ihm mittlerweile zu FüÃen, erwachte er eines Nachts: im bestürzenden Zustand der Gottlosigkeit.
Das traf ihn tief, aber unverzüglich unternahm er Schritte, seinen Verlust wettzumachen. Er ging nach Rom und sprach mit dem Pontifex Maximus; er betete Tag und Nacht; er gründete Priesterseminare und Leprakolonien. Gott hingegen lehnte es ab, auch nur Seinen Zehennagel zu zeigen. Gregorius, so schien es, war von Ihm verlassen.
Am Rand der Verzweiflung setzte er es sich in den Kopf, daà er nur dann in die Arme seines Schöpfers zurückgelangen könne, wenn er seine Seele der gräÃlichsten Gefährdung unterziehe. Die aberwitzige Idee hatte etwas Einleuchtendes. Angenommen, so dachte er, ich könnte ein Treffen mit Satan, dem Erzbösewicht, zustande bringen; wäre Gott dann angesichts meiner äuÃersten Bedrängnis nicht dazu verpflichtet, einzugreifen und mich in die Herde zurückzubefördern?
Es war ein exzellentes Konzept, aber wie sollte er es verwirklichen? Der Teufel kam nicht auf bloÃen Anruf, selbst wenn es sich um einen Tycoon wie Gregorius handelte, und dessen Nachforschungen erwiesen bald, daà sämtliche Methoden, mit denen der Herr des Geziefers sich traditionellerweise herbeizitieren lieà â die Schändung des Altarsakraments etwa oder die Opferung von Säuglingen â, keine gröÃere Wirkung zeitigten als seine guten Werke, mit denen er Jahwe zu bewegen versucht hatte. Erst nach einem Jahr reiflicher Ãberlegung verfiel er schlieÃlich auf seinen Meisterplan. Er würde den Bau einer Hölle auf Erden in die Wege leiten â ein modernes Inferno, so monströs, daà der Versucher in Versuchung geführt würde und herbeikäme, um sich wie ein Kuckuck in ein widerrechtlich angeeignetes Nest hineinzuhocken.
Er suchte allerorts nach einem Architekten und fand einen Mann namens Leopardo, der in einem Tollhaus auÃerhalb von Florenz dahinsiechte. Seine Pläne für Mussolinis Paläste waren von einer irrsinnigen GroÃartigkeit und entsprachen darin Gregoriusâ Projekt vollkommen. Leopardo wurde aus seiner Zelle genommen â ein stinkender, erbärmlicher alter Mann â und seinen Träumen wiedergegeben. Seine geniale Begabung für das Ungeheuerliche war nicht von ihm gewichen.
Um seinen Erfindungsgeist zu beflügeln, wurden die groÃen Bibliotheken der Welt nach Schilderungen sowohl profaner wie auch übersinnlicher Höllen durchstöbert; Museumsgewölbe wurden nach verbotenen Martyriumsdarstellungen durchwühlt. Kein Stein, den man nicht umdrehte, wenn begründeter Verdacht bestand, daà etwas Perverses darunter verborgen war.
Die fertiggestellten Konstruktionszeichnungen verdankten einiges de Sade und Dante und einiges eher Freud und KrafftEbing, aber es war auch vieles vorhanden, das bisher noch kein Hirn sich ausgedacht oder zumindest zu Papier zu bringen gewagt hatte.
Ein Gelände in Nordafrika wurde ausgewählt, und die Arbeit an Gregoriusâ Neuer Hölle begann.
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