Cornwell, Bernard by Der Wanderer

Cornwell, Bernard by Der Wanderer

Autor:Der Wanderer
Die sprache: de
Format: mobi
veröffentlicht: 2012-06-13T18:02:01+00:00


Louis Bessières, Kardinalerzbischof von Livorno, einer Stadt, die er nur ein einziges Mal, nämlich auf dem Weg nach Rom, gesehen hatte (auf der Heimreise hatte er einen Umweg eingelegt, um sie nicht noch einmal sehen zu müssen), schritt gemächlich den Quai des Orfèvres auf der Pariser Île de la Cité entlang. Ihm voran gingen zwei Diener, um mit Stöcken den Weg für den Kardinal frei zu machen, der den drängenden Worten des hageren, ausgemergelten Priesters an seiner Seite keinerlei Beachtung zu schenken schien. Stattdessen begutachtete Bessières die Waren auf den Ständen der Goldschmiede, die sich entlang des Quais aufgestellt hatten und nach denen dieser benannt war. Er bewunderte eine Halskette mit Rubinen und erwog sogar, sie zu erstehen, bemerkte dann jedoch, dass einer der Steine einen Fehler aufwies. «Wie schade», murmelte er und ging weiter zum nächsten Stand. «Entzückend!», rief er aus, als er ein silbernes Salzfass entdeckte, dessen vier Seiten mit Miniaturen des Landlebens in blauer, roter, gelber und schwarzer Emaille verziert waren. Auf dem ersten Bild war ein Mann mit einem Pflug dargestellt, auf dem zweiten streute er die Saat aus, auf dem dritten war eine Frau zu sehen, die das Korn erntete, und auf dem letzten saßen die beiden am Tisch, einen dampfenden Brotlaib zwischen sich. «Wirklich ganz reizend», begeisterte sich der Kardinal. «Findet Ihr nicht auch?»

Bernard de Taillebourg gönnte dem Salzfass kaum einen Blick. «Der Teufel arbeitet gegen uns, Eminenz», sagte er verärgert.

«Das tut er immer, Bernard», wies ihn der Kardinal zurecht, «das ist schließlich seine Aufgabe. Der Welt würde wahrhaft etwas fehlen, wenn der Teufel nicht gegen uns arbeiten würde.» Zart strich er mit den Fingerspitzen über die Emaillebilder des Salzfasses, kam dann jedoch zu dem Schluss, dass ihm die Form des Fußes nicht gefiel. Irgendwie zu derb, dachte er, ein wenig unbeholfen, und mit einem Lächeln zum Besitzer des Standes stellte er es wieder zurück und schlenderte weiter. Die Sonne schien; die Winterluft war ungewöhnlich mild, und die Seine funkelte. Ein Beinloser mit Holzklötzen unter seinen Stümpfen schwang sich auf niedrigen Krücken über die Straße und hielt dem Kardinal seine schmutzige Hand entgegen. Die Diener stürzten mit ihren Stöcken auf ihn zu, doch der Kardinal rief sie zurück und tastete in seiner Börse nach ein paar Münzen. «Gottes Segen sei mit dir, mein Sohn», sagte er. Kardinal Bessières gab gerne Almosen, er mochte die schmelzende Dankbarkeit auf den Gesichtern der Armen, und vor allem gefiel ihm der Ausdruck der Erleichterung, wenn er seine Diener im letzten Moment, bevor sie zuschlugen, zurückpfiff. Manchmal wartete der Kardinal auch einen winzigen Augenblick zu lange, und auch das gefiel ihm. Aber heute war ein milder, sonniger Tag inmitten eines grauen Winters, und so war er in wohlwollender Stimmung.

Als sie am Sabot d’Or vorüber waren, einer Schänke, in der sich die Schreiber trafen, wandte er sich vom Fluss ab in das Gewirr der Gassen, die sich um die labyrinthischen Gebäude des königlichen Palastes schlängelten. Hier trat das Parlament zusammen, und die Advokaten huschten wie Ratten durch die dunklen Gänge, doch hier und da ragten prachtvolle Gebäude aus dem trüben Dämmerlicht hinauf in die Sonne.



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