Bob Dylan by Heinrich Detering

Bob Dylan by Heinrich Detering

Autor:Heinrich Detering [Detering, Heinrich]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783159608785
Herausgeber: Reclam
veröffentlicht: 2016-02-13T16:00:00+00:00


Rollender Donner

(1975–1977)

Den Sommer 1975 verbrachte Dylan in Südfrankreich, malend und mit der Lektüre der Memoiren eines Boxers namens Rubin »Hurricane« Carter. Dann kehrte er in die USA zurück, und dort, aus heiterem Himmel, brach der Sturm los. Im Zeichen des »Hurricane« wurde die erste »Rolling Thunder Revue« zum wirkungsmächtigsten Geniestreich des Performers Dylan nach 1966: Konzerttournee und Happening in einem, theatralische Inszenierung und Materiallieferant für ein Filmprojekt, das ursprünglich den Titel Renaldo and Clara tragen sollte.

So unvergleichbar das stille und konzentrierte Album Blood on the Tracks und die ekstatische, hektische, zeitweise chaotische Tour auf den ersten Blick erscheinen, so ähnlich waren sie doch angelegt. Den äußeren Anlass gab Dylans Engagement für den zufolge einer Bürgerrechtskampagne aus rassistischen Gründen inhaftierten »Hurricane«, für und über den Dylan den erfolgreichsten (wenn auch keineswegs überzeugendsten) Song dieser Phase schrieb und zu dessen Freilassung er tatsächlich beitragen konnte. Legitimiert durch diese Finger-pointing-Funktion, bedeuteten die Tour und das Filmprojekt vor allem den Versuch, die halluzinatorische Welt der Songs in die Wirklichkeit eines kollektiv inszenierten Gesamtkunstwerks, in oszillierende Identitäten, Zeiten und Szenerien zu überführen. Inspiriert von den New Yorker Konzerten Patti Smiths und von Marcel Carnés Film Les enfants du paradis, stellte Dylan mit eilig zusammengerufenen Weggefährten einen zigeunerhaft drapierten, karnevalesken Wanderzirkus mit teils kontinuierlich mitwirkenden, teils wechselnden und oft phantasievoll kostümierten Akteuren zusammen. Anfangs trat die Truppe nur auf kleinen (erst mit der öffentlichen Resonanz dann zunehmend größeren) Bühnen in Neuengland und Kanada auf, in möglichst kurzfristig angekündigten Konzerten, die sich als spontane und spektakuläre Inventur aller musikalischen Szenen und Traditionen erwiesen, die Dylan seit seinen Folk-Anfängen durchlaufen hatte. Aber Dylans Programm richtet sich auch auf eine amerikanische Geschichte, die im sich eben vorbereitenden Bicentennial staatsoffiziell gefeiert werden sollte und deren Schauplätze die ersten Stationen der Tour bilden. Darum mischen sich auf der Wanderbühne jüdische und mexikanische Reminiszenzen mit englischer Poesie, Cowboy-Slang mit indianischen Mythen (denen die Tour ihren Namen verdankte) und katholische Andachtsbilder mit dem Blues. Die »Rolling Thunder Revue« ist Rockkonzert und romantisches Varieté, Theater und Hochamt, Demonstration und Spiel: Rock-’n’-Roll-Romantik als Abschiedszeremonie.

Beteiligt sind im Laufe der Tour die mit Dylan befreundeten Dichter Sam Shepard (der zum Drehbuch beitragen soll und dann das Rolling Thunder Logbook verfasst) und Allen Ginsberg (mit dem Dylan an Kerouacs Grab musiziert und rezitiert), Freunde der New Yorker Jahre wie David Blue und Bobby Neuwirth, Rock’n’Roller wie Mick Ronson, der zuvor mit David Bowie aufgetreten ist, Folk-Heroen wie Woody Guthries einstiger Begleiter Ramblin’ Jack Elliott und die jazzinspirierte Joni Mitchell, die Country-Königin Emmylou Harris, T-Bone Burnett und Ronnie Hawkins (ein deftiger Rock’n’Roller der ersten Stunde und der zweiten Reihe, als dessen Begleittruppe The Band alias The Hawks einst begonnen hat), die wunderbare Joan Baez und die als gypsy queen drapierte Geigerin Scarlett Rivera (die Dylan in New York auf dem Weg ins Studio aus dem Auto heraus nur deshalb angesprochen hatte, weil sie mit ihrer Geige an der Ampel so interessant aussah), Roger McGuinn, Ikonen der Bürgerrechtsbewegung wie Muhammad Ali, aber auch Freunde und Verwandte der Beteiligten, darunter seine



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