Blutige Fesseln by Karin Slaughter

Blutige Fesseln by Karin Slaughter

Autor:Karin Slaughter [Slaughter, Karin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: HarperCollins
veröffentlicht: 2016-10-06T23:00:00+00:00


MONTAG, 20.00 UHR

Angie saß allein auf der riesigen Couch in Kips Büro. Die Lichter waren aus. Die Party oben näherte sich ihrem Ende, da alle zum Abendessen aufbrachen. Angies Schuhe standen auf dem Boden. Sie hielt ein Glas Scotch in der Hand und lauschte dem gleichmäßigen Brummen des Verkehrs, der die Peachtree entlangkroch. Montagabend. Die Leute hatten immer noch nicht genug vom Ausgehen. Es gab Clubs, Einkaufszentren, Restaurants. Die Reichen und Berühmten, die sehen und gesehen werden wollten.

110 Sports Management war im Zentrum von Buckhead angesiedelt. Eine halbe Meile weiter nördlich waren einige der teuersten Postleitzahlen im ganzen Land zu finden. Ausladende Villen mit Gästehäusern und Swimmingpools von olympischen Ausmaßen. Private Sicherheitsdienste. Schwere Eisentore. Mega-Sportstars. Rap-Stars. Leute aus dem Musikgeschäft. Drogenbarone wohnten neben Hedgefonds-Managern und Kardiologen.

Seit den 1970ern war Atlanta ein Mekka für Afroamerikaner aus der Mittelklasse gewesen. Ärzte und Anwälte machten an den traditionell schwarzen Colleges ihren Abschluss und entschieden sich zu bleiben. Viele Profisportler aus anderen Orten unterhielten ein Haus in der Stadt. Ihre Kinder sollten auf Privatschulen gehen, an denen man verstanden hatte, dass Grün die einzige Farbe war, auf die es ankam. Das war das Großartige an Atlanta. Man konnte tun, was man wollte, solange man das Geld hatte.

Angie hatte jetzt eine Menge Geld, zumindest im Vergleich zu dem, was üblicherweise auf ihrem Konto lag. Da waren die Schecks, die sie alle zwei Wochen von Kip bekam, und das Klimpergeld, das sie mit den Mädchen verdiente.

Nichts davon machte sie glücklich.

Solange sie zurückdenken konnte, hatte Angie immer nur in die Zukunft geblickt. An der Vergangenheit ließ sich nichts mehr ändern, und die Gegenwart war meist so beschissen, dass sie lieber nicht darüber nachdachte. Sie saß mit dem Zuhälter ihrer Mutter fest? Ging vorüber. Schon wieder in eine neue Pflegefamilie verlegt? War nur für den Moment. Sie wohnte auf dem Rücksitz ihres Wagens? Nicht mehr lange. Zeit war das, was sie vorantrieb. Nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr. Sie musste nur immer weiterrennen und weiter vorausschauen, dann würde sie irgendwann schließlich um diese Kurve biegen.

Aber jetzt war sie um die Kurve gebogen und stellte fest, dass da nichts war.

Was wünschten sich normale Frauen, was Angie nicht bereits hatte?

Ein Zuhause. Einen Mann. Eine Tochter.

Wie alles andere hatte sie auch eine Tochter, und sie hatte sie weggeworfen. Josephine Figaroa war siebenundzwanzig Jahre alt. Wie Angie konnte sie ebenso gut als weiß, als schwarz oder als Latina durchgehen. Sogar als arabisch, wenn sie den Leuten in einem Flugzeug Angst machen wollte. Sie war dünn. Zu dünn, aber das lag vielleicht in der Natur der Sache. Die anderen Ehefrauen der Spieler waren ständig dabei, zu entgiften oder eine Diät zu machen, sie besuchten Spinningkurse oder Schönheitschirurgen, um sich etwas absaugen, auffüllen oder wieder hochnähen zu lassen, damit sie mit den Groupies konkurrieren konnten, die ihre Männer umschwärmten. Sie hätten sich die Mühe sparen können. Ihre Männer fühlten sich deshalb nicht zu den Groupies hingezogen, weil sie schärfer aussahen als ihre Frauen; sie fühlten sich zu ihnen hingezogen, einfach weil sie Groupies waren.

Es



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