Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker by Zeyer René

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker by Zeyer René

Autor:Zeyer, René [René, Zeyer]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-02-07T05:00:00+00:00


Achtundvierzig

»Tut mir leid«, heuchelte Kuster, »kann ich mir nicht erklären, wieso Sie mich gestern nicht erreichen konnten, ich sitze eigentlich immer an meinem Schreibtisch, und wenn ich mich gerade einmal aufdatieren lasse, um Ihnen kompetent neue Anlageempfehlungen geben zu können, ist mein Sekretariat gehalten, wichtige Anrufe wie den Ihren sofort auf mein Handy zu leiten. Nein, kein Problem, wird nicht wieder vorkommen. Gruß an die Gattin.«

Kuster schüttelte den Kopf, was meint der eigentlich, ständig machen nicht nur in Zürich neue Lokale, Golfplätze, Boutiquen und Antiquariate auf, dazu entstehen neue In-Places, die Preisentwicklung nicht nur der Bordeaux muss im Auge behalten werden, man muss wissen, was das neuste Spielzeug der Superreichen ist, immer noch Hotels kaufen oder schon was anderes, wie soll ich da ständig erreichbar sein? Von meinen sozialen Verpflichtungen ganz zu schweigen, Rotary, Kiwanis, Lion’s, Zunft, Offiziersverein, Yachtclub, dann war da die EM, ich weiß ja manchmal nicht, wo mir der Kopf steht. Meinen die eigentlich, ich erreiche mein Jahresziel, vierzig Tonnen Neuanlage, indem ich hier im Büro sitze, Däumchen drehe und gelegentlich blöde Fragen beantworte?

Apropos, dachte Kuster, Neuakquise, genau, da habe ich doch schon zwei Ostzonengewinnler in Berlin an der Angel, denen müsste ich endlich mal zeigen, was überlegene Schweizer Kundenbetreuung ist. Wir dürfen ja nicht, blöde EU, außerhalb der Schweiz richtige Verhandlungen führen, hat ja nicht nur Vorteile, keine Banklizenz im europäischen Umland zu haben. Aber gegen ein gemeinsames Kulturprogramm wird wohl niemand etwas einzuwenden haben, nicht wahr? Schön, dass die beiden beim ersten Kontakt hatten durchblicken lassen, dass sie große Fans der Oper seien, aber nur im klassischen Bereich, nichts Neumodisches, bitte.

»Müller«, bellte Kuster in die Gegensprechanlage, »Ihr Organisationstalent ist gefragt. Tatort Berlin, KW 28, würde ich mal sagen, Samstag, Berliner Philharmonie, drei beste Plätze, aber nicht so, dass einem der Kalk der Geigen und Speichelfetzen der Sänger auf den Frack fliegen, Late Dinner im Fischers Fritz, ist wohl immer noch das einzige Lokal mit zwei Sternen, sollen mal den Homard à la presse in die Pfanne hauen, den gibt’s ja nur auf Vorbestellung, für mich die Suite im Schlosshotel im Grunewald wie immer, Freitag bis Montag. Genau, Limousine stand by, klar, um die Bars kümmere ich mich selbst, falls da Bedarf besteht. Kostenstelle Neuakquisition, richtig. Zuerst abklären, dann Einladung an Nummer 276/1 und 276/2 auf der Liste potenzielle Neukunden, Feedback an mich, asap.« Ein bisschen Entspannung muss ja auch mal sein, sagte sich Kuster, ein Tag geistige Vorbereitung und ein Tag die Leber auslüften, das braucht der Mensch schon.

Keine zehn Minuten später blinkte die Leuchtdiode auf Kusters Anlage. »Sagen Sie bloß nicht, das Schlosshotel ist ausgebucht. Was? In der Philharmonie hat’s gebrannt? Das sind ja keine Zustände, wie soll man da ordentlich Geschäfte machen? Alternativen? Staatsoper unter den Linden? Ist das was? Was kosten da die besten Plätze? Hundertsechzig Euro? Na, ob das wirklich was ist? Deutsche Oper gibt’s auch noch? Hundertachtzehn Euro? Spielen die da ›Geiz ist geil‹? Vielleicht sollten wir die beiden nach Zürich einfliegen lassen, damit sie mal sehen, was ein anständiger Sitzplatz kostet.



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