Zwischenspiel: Roman (German Edition) by Maron Monika

Zwischenspiel: Roman (German Edition) by Maron Monika

Autor:Maron, Monika [Maron, Monika]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104027357
Herausgeber: Fischer E-Books
veröffentlicht: 2013-10-16T22:00:00+00:00


Wir waren gerade ein paar Schritte gegangen, als Bruno, sein Phantombier in der Hand, plötzlich vor mir stand. Er verschränkte die Arme vor der Brust, überkreuzte mit dem rechten Fuß graziös den linken, wobei er den Boden nur mit der Fußspitze berührte, und stand da wie ein zerlumpter Possenspieler, der eben einer Jahrmarktsbühne entsprungen war.

Hallo, Gnädigste, wo haben Sie denn diesen Satansbraten aufgestöbert?, fragte er mit Blick auf Erich, dem Margot gerade auf die Beine half. Haben Sie die beiden so zugerichtet?

Ich sagte, ich hätte sie weder aufgestöbert noch zugerichtet. Sie seien mir leider vor die Füße gelaufen, ich sei aber nicht willens, ihnen noch eine weitere Minute meines Lebens zu opfern.

Tja, sagte Bruno, die Minuten des Lebens sind gezählt, die des Todes nicht. Ich habe Zeit. Ist er einsichtig?

Nein, sagte ich, er nicht und sie auch nicht. Sie verstehen gar nichts. Sie wissen nicht einmal, dass er bald ins Gefängnis kommt. Irgendwie sind sie 1990 in der Zeit stecken geblieben.

Da habe ich ja noch gelebt, rief Bruno, obwohl ich mich daran kaum erinnern kann. Es wurde ja behauptet, ich sei alkoholbedingt dement gewesen. Ich bin zweifach betrogen. Zuerst haben diese Halunken mir als einzigen Ausweg aus ihrer geistlosen Tyrannei nur den Bierrausch gelassen, in dessen Folge ich mich dann nicht einmal an ihrer Schmach delektieren konnte.

Bruno steckte die Bierflasche in seine Jackentasche und rieb sich kampfbereit die Hände. So, unverehrte Herrschaften, Sie werden verstehen, dass mir unter diesen Umständen unsere Begegnung ein besonderes Pläsier ist.

Nicki setzte sich wieder hin. Bruno, der mit langen Schritten um Margot und Erich herumstolzierte und sie dabei unter fortwährendem Kopfschütteln begutachtete, hatte offenbar sein Interesse geweckt.

Bis auf die blauen Haare sehen Sie zwar ein bisschen ramponiert, aber sonst ganz normal aus, sagte Bruno. Was hatten Sie eigentlich bei Ihren coiffeuristischen Vorlieben gegen die bunten Frisuren der Punker? Ich frage das nur, weil mein Neffe wegen seiner rosafarbenen Haare sogar einmal verhaftet wurde.

Können Sie mir sagen, was dieses Affentheater soll?, herrschte Margot ihn an.

Bruno legte den Zeigefinger über die Lippen. Psst, Sie haben vierzig Jahre lang geredet, jetzt müssen Sie ganz still sein und nur antworten, wenn ich Sie frage. Also was hatten Sie gegen die rosafarbenen Haare meines Neffen?

Margot schwieg und zupfte Erich, der gerade zu einer Antwort ansetzte, am Ärmel.

Aha, sagte Bruno, ist auch zweitrangig. Die Haare waren sowieso nicht rosa, sondern grün. Aber, Unwerteste und Unwertester, das müssen Sie mir verraten: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einem Staat vorstehen zu müssen und das darin ansässige Volk, als es Ihnen davonlaufen wollte, einfach zu kapern? Ist Ihnen die Mutter Gottes erschienen oder gar der liebe Herr Jesus persönlich und hat Ihnen offenbart: Ihr seid berufen, einem Staat vorzustehen?

Ha, Jesus und Maria, rief Margot, die Rauschgiftdealer für das Volk. Wir haben für das Volk und die Gerechtigkeit gekämpft, als du noch nicht geboren warst.

Sie zupfte Erich wieder am Ärmel. Sag es nicht, Erich.

Aber Erich, übermannt von einer Erinnerung, ließ sich diesmal nicht zurückhalten. Es war nicht Jesus, auch nicht Maria, es war Stalin.



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