Zwischen Hitler und Himalaya by Gerald Lehner
Autor:Gerald Lehner [Lehner, Gerald]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Czernin Verlags GmbH, Wien
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Fassen wir zusammen:
1. Heinrich Harrer stand nicht im Verdacht von strafbaren Handlungen, die mit Massenmorden der SS und Konzentrationslagern zu tun hatten. Er konnte mit den Aktivitäten von Bruno Beger in Auschwitz und Verbrechen von dessen Kollegen in der Wissenschaft persönlich nichts zu tun haben. Harrer war zur Zeit dieser Taten in Nordindien bzw. Tibet.
2. Heinrich Harrer berichtet in seiner Autobiografie »Mein Leben« (2002), er habe 1952 nach seiner Rückkehr aus Tibet sogleich den Fotografen und Kameramann Ernst Krause in München besucht, der 1938/39 an der Expedition des Zoologen Ernst Schäfer nach Tibet teilgenommen hatte. Was der ehemalige SS-Oberscharführer Harrer nicht erwähnt, sind die tiefen Verstrickungen dieser Expedition ins »Ahnenerbe« der SS und dass auch Krause ein Mitglied der SS war. Er sollte mit Expeditionsleiter Ernst Schäfer im Konzentrationslager Dachau die verbrecherischen Unterdruck-Versuche der SS mit KZ-Häftlingen filmen. Kein Wort darüber in Harrers Autobiografie. Auch in allen seinen früheren Büchern werden Schäfers Expedition und Krause nicht erwähnt.
3. Harrer hat auf meine Anfrage 1997 noch vehement zurückgewiesen, dass er Mitglieder dieser SS-Expedition persönlich gekannt habe. Schäfer ging nach dem Krieg mehrfach mit dem belgischen König Leopold auf Forschungsreisen in entlegene Winkel der Erde. Auch Harrer war mit Leopold privat befreundet und begab sich mit dem Monarchen auf Forschungsreisen. 1997 bestätigte Schäfers Expeditionsmitglied Beger auf meine Frage, dass er Harrer schon lange kenne. Sie seien Duzfreunde.
4. Harrer stellte sich im September 1994 mit dem früheren Kriegsverbrecher Bruno Beger und anderen Zeitzeugen in London neben den Dalai Lama. Sie ließen sich als Kronzeugen für die frühere Unabhängigkeit Tibets auf einem Foto ablichten.
5. Dieses Bild hatte die tibetische Exilregierung auf ihrer offiziellen Website mehr als zehn Jahre im Internet stehen. Sie wollte damit ihren politischen Kampf und ihre Propaganda gegen Chinas Kommunisten untermauern.
Realpolitik ist eine hohe und oft schmutzige Kunst. Politikwissenschaftler und Historiker überrascht diese Doppel- und Dreifachmoral keineswegs.
Die tibetische Exilregierung und der Dalai Lama pochen in ihrem politischen Kampf seit mehr als sechs Jahrzehnten auf moralische Prinzipien – auch mit Recht, denn es geht in Tibet auch um die Menschenrechte einer unterdrückten Minderheit. Besonders Heinrich Harrer hat dabei seit 1952 immer wieder die Töne des Oberlehrers angeschlagen; anklagend, mit erhobenem Zeigefinger und propagandistischen Untertönen. – Und der Dalai Lama? Wer zwei ehemalige SS-Männer – einer davon ein rechtskräftig verurteilter Kriegsverbrecher und Mitwisser bei 86 Morden an wehrlosen KZ-Häftlingen – als Kronzeugen für seine humanitären und politischen Ziele einsetzt, braucht beim Thema Glaubwürdigkeit keine chinesischen Feinde mehr. Angesichts dieser schweren Fehler der tibetischen Exilregierung wunderte es aufmerksame Beobachter nicht, als Reinhold Messner Harrers Rolle 1997 in einem Zeitungsbeitrag so einschätzte: »Tibet könnte heute ein freies Land sein, wenn der junge Dalai Lama 1949, 1950 und 1951 einen weisen Lehrer und Berater gehabt hätte.«143
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