Zur Wald- und Wasserfreude by Theodor Storm
Autor:Theodor Storm [Storm, Theodor]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: (Privatkopie)
veröffentlicht: 2010-02-03T05:00:00+00:00
Am nächsten Sonntage, es war schon gegen Abend, fuhr in drei Wagen eine Gesellschaft feiner Leute an der »Wald- und Wasserfreude« vor. Herr Zippel, dem vorher nichts angemeldet worden, geriet in große Aufregung, als man ihm ankündigte, hier sei die letzte Station der heutigen Lustfahrt; man wolle nun mit Abendbrot und Tanz den Kehraus machen. Der Doktor dagegen schien von allem unterrichtet; er war sogleich zur Stelle, half den alten und jungen Damen vom Wagen und schalt die jungen Herren, daß sie sich unterwegs so lange aufgehalten.
Kätti stand, nach der Flußseite, halb verdeckt hinter der Ecke des Hauses. Untätig, mit düsteren Augen und herabhängenden Armen, hörte und beobachtete sie alles, was hier vorging; dann, als die Gäste von ihrem Vater in das Haus hineinkomplimentiert waren, schlich sie sich zögernd durch den Garten in die Küche.
Nicht lange nachher erschien sie mit Tischzeug und Geschirr in der Veranda und begann unter Herrn Zippels kreuz- und querfliegenden Befehlen die Abendtafel herzurichten. Während sie leicht und sicher eines nach dem andern an seinen Platz setzte, wandelte die Gesellschaft plaudernd und lachend auf den Gängen des sich unterhalb ausbreitenden Gartens, und Kätti konnte es nicht lassen, mitunter halb beklommen einen Blick hinauszuwerfen. Die jungen Damen waren ihr fast alle bekannt, mit mehreren hatte sie einst auf derselben Schulbank gesessen, und – sie zog grübelnd eine ihrer schwarzen Flechten über die Brust hinab – von keiner war sie noch begrüßt worden. Aber freilich, sie war bei ihrer Ankunft ja auch hinten um das Haus herumgelaufen! – Nur eine, die hübscheste, ein schlankes blondes Mädchen, war ihr fremd; sie hatte was Vornehmes in dem lässigen Neigen ihres Kopfes, und Kätti selber mußte immer die Augen nach ihr wenden. Aber es war noch ein anderes, wodurch die blonde Dame wie magnetisch die Blicke des braunen Mädchens auf sich zog. Es war nicht zu verkennen, daß sie sich immer wieder wie von selber mit dem Doktor Fedders zusammenfand, und eben jetzt gingen beide ohne Begleitung den Seitensteg zum Flusse hinab und konnten der überhängenden Büsche wegen von der Veranda aus nicht mehr gesehen werden. Kätti blickte auf die Stelle, wo die jugendlichen Gestalten verschwunden waren, bis sie vor der scharfen Stimme ihres Vaters aufschreckte und nun emsig in ihrer Arbeit fortfuhr.
Als sie die letzte Schüssel aufgesetzt hatte, sah sie das Paar aus der Tiefe des schon dämmerigen Gartens auf dem an der Veranda vorbeiführenden Steige heraufkommen. Das blonde Mädchen hatte eine feine weiße Hand erhoben und redete lebhaft zu dem jungen Doktor. Gewiß, sie war die Hübscheste; aber – Kätti wußte nicht recht weshalb – auch wohl die Stolzeste!
Und jetzt näherten die beiden sich der Veranda, und da sie auf dem Steige langsam vorübergingen, ließ die junge Dame ihre blauen Augen eine Weile betrachtend auf Kättis Antlitz ruhen und fragte dann wie gleichgültig, sich wieder zu ihrem Begleiter wendend: »Wer ist das Mädchen?« Sie hatte laut genug gesprochen, und in dem Ton der Frage lag kein Bemühen, sie vor ihrem Gegenstande zu verbergen.
»Es ist die Wirtstochter«, sagte der Doktor leise und schien rascher vorübergehen zu wollen.
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