Zum Tode verurteilt (German Edition) by A. N. Donaldson

Zum Tode verurteilt (German Edition) by A. N. Donaldson

Autor:A. N. Donaldson [Donaldson, A. N.]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Endeavour Press
veröffentlicht: 2015-04-28T16:00:00+00:00


Kapitel 11 – Der Besessene

Ich glaube, Waska dachte darüber nach uns zu töten, entschied sich jedoch dagegen. Stattdessen flüsterte er, sodass nur wir es hören konnten: „Wir sind letzte nach für den Permschlitzer eingesprungen: Er kam erst nach der Sperrstunde.“ Dann schob er uns lachend davon und brüllte, um die Show für seine Mitbewohner aufrecht zu erhalten: „Und jetzt raus!“

Wir dankten ihm und zogen uns langsam zurück.

Ich erinnere mich nicht mehr an den richtigen Namen des Verdächtigen. Vielleicht kannte ich ihn nie. Jeder nannte ihn nur Permschlitzer. Er war wegen einer Flut berüchtigter und besonders unschöner Morde in Perm vor dem Krieg verurteilt worden und hatte auch während seiner Gefangenschaft nicht aufgehört zu töten. Der Mann war offensichtlich verrückt. Er tötete wahllos, ohne einen Gedanken an die Konsequenzen und anscheinend zum Vergnügen. Wenn man ihn fragte, warum, sagte er, der Teufel habe in seinem Kopf gesprochen und es ihn tun lassen. Er behielt die Köpfe seiner Opfer als Trophäen. Das ist nichts Neues: Zar Peter hatte den Kopf seiner Geliebten eingelegt in seinem Schlafzimmer. Aber der Schlitzer spielte mit ihnen wie mit Spielzeug.

Zuerst behandelten ihn die anderen Massenmörder wie ein Maskottchen. Aber selbst die meisten von ihnen hatten bald Angst: Er war so unvorhersehbar, in der einen Minute ziemlich normal, in der nächsten ein brutaler Irrer.

Waska hatte keine Angst vor ihm. Aber Waska hatte auch vor niemandem Angst. Er hatte ihn bislang immer beschützt, selbst wenn alle wussten, dass er jemanden getötet hatte. Aber jetzt schien er sich aus irgendeinem Grund gegen ihn gewendet zu haben. Vielleicht wusste er etwas, das wir nicht wussten. Oder vielleicht dachte er, ebenso wie wir, dass es nur eine Handvoll Männer in Ubiichogorsk gab, die so etwas nur zu ihrem persönlichen Vergnügen tun würden. Und er wusste, dass der Kommandant keine Ruhe geben würde, bis ein glaubwürdiger Verdächtiger präsentiert wurde. Der Schlitzer hatte keine Freunde und konnte deswegen angeboten werden, ohne dass der Frieden in Gefahr war.

Wir fanden ihn in der Kantine. Er faulenzte auf einer der langen Bänke und pickte ertrunkene Kakerlaken aus seiner Suppe, die er sich dann ganz in den Mund steckte. Er schien in einer ruhigen Stimmung zu sein und hatte nicht zu viel Chifir getrunken – besonders starker Tee, den er als Stimulanz benutzte. Wir fragten ihn, wo er letzte Nacht gewesen war.

„Ich habe ein paar Zigaretten von einem Wächter gekauft, den ich kenne“, antwortete er missmutig. Er sagte nicht welcher und wir erfuhren auch nicht, was er dafür angeboten hatte

Juri und ich sahen einander an. Das war eine überraschende Enthüllung, denn es war nicht bekannt, dass der Schlitzer mit irgendeinem Wärter Kontakt hatte.

„Wo genau bist du hingegangen?“, fragte ich und erwartete eine ausweichende Antwort. Aber zu meiner Überraschung sagte er: „Ich sollte ihn eigentlich draußen im Wald hinter der Seestraße treffen, allerdings kam er nicht. Aber ich habe diese Ingenieure nicht umgebracht“, sein Gesicht hellte sich plötzlich auf, „ aber wer war’s, hm? Wüsstet ihr es nicht gern? Ich weiß es, weil ich ihn gesehen habe. Gebt mir ein paar Zigaretten und ich sage es euch vielleicht…”

Wir hatten keine wirkliche Alternative.



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