Zu lebendig zum Sterben by Kirsten Holst

Zu lebendig zum Sterben by Kirsten Holst

Autor:Kirsten Holst [Holst, Kirsten]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2015-05-02T16:00:00+00:00


9

Ich hielt es nicht aus, allein in der Wohnung zu sitzen. Ich musste mit jemandem reden. Mit jemandem die Nachricht teilen. Plötzlich verstand ich die Kassiererin in der Cafeteria besser, die mir von Marion erzählt hatte. Vielleicht hatte auch sie einfach nur Lust gehabt, die Information mit jemandem zu teilen. Vielleicht war ich mit meinem Urteil zu schnell gewesen.

Ich ging hinunter und schellte an Rades Tür und plötzlich wurde mir klar, wie wenig Leute ich im Grunde genommen zum Reden hatte, wenn der Hausmeister der Einzige war, mit dem ich diese Neuigkeit teilen konnte.

»Haben Sie heute Morgen Radio gehört?«, fragte ich ohne Einleitung, als Rade die Tür öffnete.

»Ja, das habe ich, Mädel«, sagte er. »Lady Di ist tot. Ich habe es gehört. Kommen Sie herein, dann bekommen Sie einen Kaffee.«

Ich folgte ihm in seine Wohnung. »Wir trinken ihn in der Küche«, sagte er.

Er hatte das Radio eingeschaltet und wir lauschten still den Berichten über den Unfall.

Rade schüttelte den Kopf. »Ja, ja«, sagte er. »Die Alten müssen sterben und die Jungen können sterben.«

Aber genau das war so schwer zu akzeptieren. Erst Allie, dann Marion und jetzt Diana. Drei fast gleichaltrige junge Frauen, die noch ein langes Leben hätten vor sich haben sollen.

Natürlich ging die Welt nicht unter, aber an den nächsten Tagen beherrschte Dianas Tod sowohl die Medien als auch die Gespräche der Leute. Etwas, das dem Begriff Volkstrauer näher kommt, werde ich wohl nie erleben. Ja, fast Welttrauer. Es kam einem seltsam vor, dass das Leben einfach weiterging. Aber das tat es und ich folgte unserem Objekt im Auto und machte einige Bilder von Küssen und Zärtlichkeiten.

»Eigentlich ist das alles ziemlich unschuldig«, sagte ich zu Henrik, als ich sie ihm gab. »Ich glaube, wir sollten dem jetzt einen Stopper vorsetzen, bevor es sich zu mehr entwickelt.«

Er lächelte. »Dann tun wir das. Und ich kann dich trösten, dass diese kleine Episode hier garantiert für niemanden etwas kaputtmacht. Ganz im Gegenteil, bestimmt bekommt sie der Ehe wie eine Frischzellenkur.«

Ich selbst nahm mir jedoch etwas vor, das Henrik bestimmt weniger unschuldig finden würde. Ich stattete I. C. einen Besuch ab. Natürlich hatte ich vorher angerufen und über seine Sekretärin einen Termin gemacht. Ich wollte ihn nicht privat aufsuchen, das kam mir zu anmaßend vor.

Ich hatte mir mit meiner Kleidung Mühe gegeben. Ich trug ein weißes Kostüm mit schwarz eingefassten Abschlusskanten und weiße hochhackige Schuhe mit schwarzen Spitzen. Ich sah wie eine Beileidskarte aus, dachte ich, als ich mich im Spiegel betrachtete. Ich hatte das Kostüm unmittelbar vor meiner Scheidung gekauft und es war noch immer modern. Jedenfalls hatte ich vor kurzem ein Bild von Diana gesehen, auf dem sie etwas Ähnliches trug.

I. C.s Sekretärin war eine ältere Dame. Ich schätzte sie auf Ende fünfzig. Sie zuckte zusammen, als ich das Vorzimmer betrat.

»Ach du meine Güte, sehen Sie ihr ähnlich!«

»Wem?«, fragte ich leicht verwirrt. Unwillkürlich musste ich an Diana denken und ihr ähnelte ich überhaupt nicht.

»Marion. Nicht im Gesicht, aber in Gestalt und Gang.«

Ich erinnerte mich an das erste Mal, das ich Marion in der Cafeteria gesehen und wie ich sie einen kurzen Augenblick lang für Allie gehalten hatte.



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