Zu feindlichen Ufern - [3] by Bastei Lübbe

Zu feindlichen Ufern - [3] by Bastei Lübbe

Autor:Bastei Lübbe [Russell, Sean Thomas]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-8387-2479-9
Herausgeber: Bastei Lübbe
veröffentlicht: 2013-07-01T04:00:00+00:00


KAPITEL ZEHN

Kurz vor dem Abendessen versammelten sich die Familienmitglieder und die Gäste im Salon, um Mrs Carthew am Pianoforte zu lauschen. Sie war zwar an diesem Instrument nicht so versiert wie zwei ihrer Töchter, aber sie spielte mit viel Gefühl und wählte die Stücke so aus, dass ihre Fingerfertigkeit gerade im rechten Maß gefordert wurde. Die erste Darbietung belohnten die Zuhörer mit Applaus, doch gerade als sich die Dame des Hauses anschickte, eine Zugabe zu geben, hielt sie inne.

»Wenn mein Gedächtnis weiter nachlassen sollte, vergesse ich noch all eure Namen, und meinen gleich dazu«, schalt sie sich und begann, in ihren Taschen zu kramen, bis sie schließlich einen Brief hervorholte. »Ah, da ist er ja! Ich muss mich entschuldigen, meine liebe Lizzie. Dieser Brief kam mit der Post, und ich trage ihn schon den ganzen Tag mit mir herum und wollte ihn dir geben. Er ist von Kapitän Hertle, was meine Säumnis nur noch fahrlässiger macht.«

Penelope nahm ihrer Mutter den Brief aus der Hand, ehe irgendjemand anders aufstehen konnte, und brachte ihn Elizabeth, die ihn mit einer Mischung aus Freude und Sorge entgegennahm. Mr Carthew reichte ihr ein kleines Messer, und das Siegel wurde gebrochen. Elizabeth hielt das Schreiben ins Licht, begierig auf jede geschriebene Silbe. Doch dann wurde sie blass und schien Schwierigkeiten beim Atmen zu haben. Alle befürchteten, sie würde vom Stuhl fallen.

»Lizzie!«, rief Henrietta. »Was ist passiert, meine Liebe? Was schreibt er?«

Aber Elizabeth war nicht mehr imstande zu sprechen. Tränen strömten ihr über die Wangen. Mehrmals setzte sie an, brachte indes kein Wort heraus und hielt Mr Carthew schließlich den Brief hin, auf dass er ihn lese.

»Meine geliebte Lizzie«, las er laut vor, sowie er das Schreiben in Händen hielt. »Ich habe soeben eine schlimme Nachricht erhalten, und ich möchte dich bitten, dich hinzusetzen und dich auf die folgenden Zeilen gefasst zu machen. Charles hat vor einigen Tagen sein Schiff an ein französisches Geschwader verloren. Er und seine Offiziere wurden als Gefangene auf einen Vierundsiebziger verbracht, auf die Droits de l’Homme. Wenig später wurde dieses Schiff von zwei Kreuzern der Royal Navy gejagt, worauf die Droits de l’Homme in einem heftigen Sturm auf ein Riff lief. Die Verluste waren hoch. Heute erfuhren wir von dem Kapitän eines Luggers, den wir enterten, dass nur zwei Engländer überlebt haben – ein Junge und ein rothaariger Offizier, gewiss Charles’ Master, Mr Barthe. Ich bin, wie du dir denken kannst, erschüttert. Ich habe meinen ältesten, teuersten Freund verloren, der wie ein Bruder für mich war. Diese furchtbare Nachricht wird dich sicherlich mit Entsetzen erfüllen, und es fällt mir schwer, dich damit belasten zu müssen. Sicher muss Henrietta so schnell wie möglich davon in Kenntnis gesetzt werden. Die arme Henri! Aber auch du, meine Liebe, wirst leiden, denn ich weiß, wie viel Achtung und Wärme du stets meinem teuren Freund entgegengebracht hast …« Mr Carthew wurde beim Lesen unterbrochen. Denn Henrietta war aufgesprungen, hielt sich eine Hand vor den Mund und wäre ohnmächtig zu Boden gefallen, wenn Mr Wilder sie nicht gestützt und vorsichtig auf die Kissen des Sofas gebettet hätte.



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