Zerbrochene Seele by Mirjam H. Hüberli

Zerbrochene Seele by Mirjam H. Hüberli

Autor:Mirjam H. Hüberli [Hüberli, Mirjam H.]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2016-11-09T00:00:00+00:00


Angst verzerrt die Bilder, verzerrt die Wahrnehmung.

Genau wie die Liebe. Sind wir Menschen vielleicht nur selten bei klarem Verstand?

Verliebte Narren. Ängstliche Versager.

Gierige Halunken. Eifersüchtige Liebende.

Hasserfüllte Bastarde.

Und wo in diesem ganzen Chaos bin ich?

Wo ist der Weg zum wahren Ich?

Ist es das, was ich fühle – ein gefühlloses Ich?

Vielleicht findest du die Antwort.

Du, mein Herz.

13. MÖRDERISCHE STILLE

Samstag, 26. März 2016, 14:20

Es ist früher Nachmittag, als ich heimkomme.

Ich habe keine zwei Worte mehr mit Leo gewechselt. Mir ist klar, dass die Streitigkeiten nicht mir galten. Auch, dass er ja eigentlich nichts dafür kann, dass Dr. Schwarz sein Opa ist und ich es nicht wusste. Dafür, dass Flori mir ein ungutes Gefühl dem Psychologen gegenüber eingepflanzt hat, ebenso wenig. So habe ich mich mit der kleinen Ich-fühle-mich-nicht-so-gut-Notlüge beim Capp & Cino aus dem Staub gemacht.

Doch so schnell ich auch laufe, das zwiespältige Gefühl bleibt mir auf den Fersen.

Ich wiege meine Gedanken ab. Lena gegen Leo. Flori gegen Dr. Schwarz. Ich gegen den Rest der Welt. Trotzdem breitet sich in mir zum ersten Mal so etwas wie ein Gefühl von Heimkommen aus, als der Giebel des Hauses meiner Großeltern zwischen den Häuserkulissen erscheint. Ich kann es fühlen – jeder Schritt verknüpft mich ein Stück stärker mit der Vergangenheit. Nicht mit meiner. Mit Mamas Vergangenheit, die der Schlüssel zu all meinen Fragen ist. Sie hat das Geheimnis und die Antworten mit auf die andere Seite genommen.

Ich gehe die Straße hoch und die Gedanken hämmern im Gleichtakt meiner Schritte hinter der Stirn. Was, wenn Flori mit seiner Vermutung von bösen Geistern gar nicht so falsch liegt? Nein, ich glaube nicht daran, dass Dämonen existieren, zumindest nicht solche, die uns in menschlicher Gestalt aufsuchen. Aber im übertragenen Sinne, so wie Mamas Dämonen der Vergangenheit. Was für ein Geheimnis kann so schlimm sein, dass Mama von hier flüchten musste? Ein mörderisches Geheimnis? Vielleicht so schlimm, dass jemand sie zum Schweigen bringen musste.

Es schaudert mich.

Ich fummle meinen Schlüssel aus der Jackentasche, verschnaufe kurz am Gartentor, dann betrete ich die Treppe zur Tür und spähe zwischen den schmiedeeisernen Gitterranken vorbei durchs eingefasste Glas in den Hausflur.

Alles ist dunkel.

Mit Henry und Babette spreche ich immer noch wenig, doch seit dem Zusammentreffen auf dem Dachboden ist die eisige Härte in Babettes Augen geschmolzen. Auch Henry hat hin und wieder ein sanftes Lächeln auf den Lippen – zumindest im Ansatz. Ja, die beiden sind zu einem ruhenden Pol in meinem Leben geworden. Nicht, weil sie es ausstrahlen, aber hier kann ich sein, wie ich bin. Fast scheint es, als hätten wir ein stillschweigendes Übereinkommen getroffen, uns möglichst aus dem Weg zu gehen. Und das ist mir ganz recht. Denn eines ist geblieben: die Enttäuschung, die aus manchen ihrer Worte und ihren Blicken strahlt, und das ist kaum auszuhalten. Zwar halten sie es mir nicht direkt vor, doch sie geben mir oftmals das Gefühl, dass ich sie mit meiner Anwesenheit belästige. Weil ich sie mit der Vergangenheit konfrontiere. Weil ich meiner Mama viel zu ähnlich sehe. Weil ich dasselbe Alter habe, wie meine Mama damals.



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